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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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Unübersehbar zog sich eine Schleifspur durch den Sand: zwei parallel verlaufende, etwa drei fingerbreite Linien, verursacht von Katharinas Stiefelabsätzen. Offensichtlich hatte der Unbekannte sie am Oberkörper oder an den Armen gepackt und fortgeschleift. Die Spur führte ein kurzes Stück weit bis zu einer Stelle, an der der sandige Untergrund in Felsgestein überging. Dort endete sie abrupt. Wolfs Blick schweifte in sämtliche Richtungen. Wohin konnte der Mann in dieser kurzen Zeit mit Katharina verschwunden sein?
    Eine Mischung aus kalter Wut und ohnmächtiger Verzweiflung bemächtigte sich seiner. Seine erzwungene Selbstbeherrschung wich Selbstvorwürfen und einem lähmenden Schmerz in seiner Brust. Warum nur hatte er sie mitgenommen auf diesen gottverdammten Felsen, in diesen von düsterem Grau erfüllten Vorhof der Hölle? Welch sträflicher Leichtsinn hatte ihn nur geritten, dass er sie, wenn auch nur für eine kurze Weile, allein gelassen hatte?
    Dann aber, mit einem Mal, wurde ihm bewusst, dass er mit seinen Selbstvorwürfen nur kostbare Zeit und Kraft vergeudete; Zeit und Kraft, die er dringend anderweitig benötigte.
    An die bröckelnde Mauer gelehnt dachte Wolf nach – und spürte, wie seine Überlegungen seine Verzweiflung erneut in kalte Entschlossenheit verwandelte.
    Und während sich seine Rechte fester um den Knauf seiner Waffe schloss, wusste er mit einem Mal, was er zu tun hatte. Er würde zu den anderen zurückreiten, um sie zu holen. Sie mussten ihm helfen. Auch wenn es ihn unsäglich schmerzte, Katharina vorübergehend ihrem Schicksal überlassen zu müssen – es machte einfach keinen Sinn, weiterhin allein nach ihr zu fahnden, wusste er doch noch nicht einmal ansatzweise, wo er nach ihr suchen sollte.
    Gerade wollte er die Finger zum Mund führen, um nach dem Rappen zu pfeifen, als er mit einem Mal in seiner Bewegung innehielt.
    Zufällig hatte sein Blick die dunklen Fensteröffnungen im hoch emporragenden Burgfried gestreift – und für einen Augenblick in einer von ihnen ein rötliches Leuchten wahrgenommen!
    Gebannt starrte Wolf zum Turm hinüber.
    Da! Tatsächlich! Wieder glomm ein rötlich flackernder Schein in dem toten Mauerauge auf – und verlosch dann erneut.
    Irgendjemand war dort oben.
    Jemand, der ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte?
    Jemand, der mit seiner Verzweiflung spielte und ihn zum Narren hielt?
    Wieder schwappte eine Woge kalter Wut in Wolf hoch. Der Mann, der Katharina überfallen hatte?
    Nein. Diesen Gedanken konnte er getrost verwerfen. Der Burgfried lag gut dreihundert Schritt von der Stelle entfernt, an der der Überfall stattgefunden hatte. Um ihn zu erreichen, hätte der Unbekannte – zumal mit einer Gefangenen im Schlepptau – deutlich mehr Zeit benötigt, als seit dem Angriff auf Katharina vergangen war.
    Die Erkenntnis, die sich daraus ergab, traf Wolf völlig unvorbereitet: Der Mann war nicht allein!
    Ein Grund mehr, endlich die anderen zu Hilfe zu holen.
    Er wandte sich um, um dem Rappen zu pfeifen – und erstarrte.
    Der Rappe war verschwunden. Ebenso die Stute.
    Stattdessen erblickte er die Umrisse zweier Männer, die sich durch das Aschgrau der Morgendämmerung hindurch zügig auf ihn zubewegten.
    Wolf spürte, wie ihm der Mund trocken wurde. Dann wurde er gewahr, wie die beiden Schatten fast gleichzeitig eine jähe Bewegung vollzogen – und damit an ihrer Absicht keinen Zweifel ließen.
    Wolf zog ebenfalls sein Schwert.
    Die Schatten kamen näher.
    Wolf machte sich bereit.
    Die Schatten waren noch etwa sechzig Schritte von ihm entfernt
    – als er einen leisen, unbestimmbaren Laut in seinem Rücken hörte. Er fuhr herum – und erstarrte abermals, als er von dort zwei weitere Schatten auf sich zukommen sah.
    Seine Gedanken begannen sich zu überschlagen. Während er fieberhaft überlegte, welche Verteidigungsmöglichkeiten ihm blieben, fragte er sich gleichzeitig, wer die Männer waren. Und was sie mit Katharina gemacht hatten. Er wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen. Er musste sich jetzt ganz auf seine eigene Situation konzentrieren. Katharina würde er nur helfen können, wenn es ihm gelang, sich selbst zu helfen.
    Sein Blick richtete sich direkt nach vorn – und ließ ihn plötzlich die vermutlich einzige Chance erkennen, die er hatte.
    Das marode Mauerstück im Rücken, die Rechte wie eine eiserne Zwinge um den Griff seines Schwertes geschlossen, zuckte sein Kopf abwechselnd nach rechts und nach links.
    Unaufhaltsam kamen die

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