Der Seelenhändler
Unterschrift des Inquisitors für eine Vollmacht erbeten hatte, den Grund für seine Vorladung? Plötzlich fielen ihm die beiden Waldenserprediger wieder ein, die er verhört hatte. Heinrich und Rudlin. War von Olmütz auf die Spuren einer Gemeinde der „Armen Christi“ im Tal der Enns gestoßen und in seiner Eigenschaft als Ketzerfänger hierher geeilt? Aber wenn ja, was wollte der Dominikaner dann ausgerechnet von ihm ?
Mit einem Mal kam ihm ein erschreckender Gedanke, der ihm einen frostigen Schauer über den Rücken jagte. Was, wenn von Olmütz etwas über seine Vergangenheit herausgefunden hatte? Er wusste, dass die Inquisition über weitreichende Verbindungen verfügte. Ebenso über penibel geführte Register und ein eng geknüpftes Netz an Informanten. Betraf die „Sache“, die keinen Aufschub duldete, etwa ihn und sein früheres Leben?
Wolf unterdrückte die in ihm aufsteigende Panik. Nein, das war unmöglich. Seine frühere Identität war ausgelöscht. Alles, was auch nur entfernt an seine Vergangenheit erinnern konnte, lag tief unten auf dem Grund eines versteckt gelegenen Sees – dem See des Vergessens.
Oder etwa doch nicht …?
Er würde es erfahren!
Noch heute.
12
Als Wolf Katharina über die Vorladung in Kenntnis gesetzt hatte, hatte sie sich sofort bereiterklärt, mitzureiten. Es böte ihr die Gelegenheit, neben dem Stift auch Bertram kennen zu lernen, meinte sie.
Und so ritten sie kurz nach Non am Pförtnerhäuschen des Klosters Admont vorbei, wo sie zwei Personen bemerkten, die ungeachtet des Nieselregens mitten auf dem Hof standen und offensichtlich in einen heftigen Wortstreit verwickelt waren. Es waren Bruder Basilius und ein hochgewachsener, ungewöhnlich hagerer Mönch, den Wolf noch nie zuvor gesehen hatte. Doch nachdem Wolf und Katharina näher an die beiden Streithähne herangekommen waren und den Grund ihrer Auseinandersetzung wahrnahmen, wunderte er sich nicht mehr: Der Mönch war offensichtlich ein Abgesandter des Klosters Sankt Lambrecht. Wolf wusste um die Rivalität, die seit vielen Jahren zwischen den beiden Klöstern herrschte; meist ging es dabei um die Frage, wem denn nun eigentlich die Wälder nördlich des Laussatales von Rechts wegen gehörten, dem Stift zu Admont oder dem Kloster Sankt Lambrecht.
„Soll das denn immer so weitergehen?“, wetterte der Hagere. „Seit Jahren verwehrt uns Admont, die uns rechtmäßig zustehenden Waldpfründe zu nutzen. Erst neulich maßten sich Eure Leute an, einen unserer Holzschläger wieder einmal in Gewahrsam zu nehmen. Dabei schlugen sie ihm gar die Nase blutig. Obwohl er nichts anderes als seine Pflicht tat.“
„Seine Pflicht tat? Dass ich nicht lache!“, konterte Bruder Basilius erbost. „Gehörte es etwa auch zu seiner Pflicht, eine unserer Holzerhütten abzubrennen? Die, wie Ihr wohl zugeben werdet, unstrittig auf unserem Grund und Boden lag?“
„Aber doch wohl erst, nachdem Eure Leute in unverschämter Weise unseren ehrwürdigen Probst als diebische Elster titulierten“, brüllte der Hagere zurück.
„Ist das etwa ein Grund, brandschatzend in unsere Wälder einzudringen?“, versuchte Basilius lautstark zurückzugeben. Als die beiden Mönche Wolf und Katharina bemerkten, die mittlerweile nahe herangekommen waren, verstummte ihr Schimpfen. Fast schien es, als ob sie sich schämten. Verlegen senkte der Hagere den Kopf und stapfte ärgerlich davon.
Bruder Basilius seufzte. „Verzeiht“, sagte er an Wolf gewandt, der inzwischen vom Pferd gestiegen war. „Aber mit diesen Sankt Lambrechter Brüdern hat uns der Herr eine schwere Bürde auferlegt.“ Die Augen rollend, sah er mit der Miene eines Märtyrers zum Himmel empor – um anschließend mit höchst irdischem Blick die Gestalt Katharinas von Klingfurth zu mustern.
Wolf grinste spitzbübisch. „Aber Herr Cellerar, dann müsst Ihr Euch fragen lassen, wie Ihr es mit einer Prüfung des Herrn haltet. Statt böse Widerworte zu geben, solltet Ihr sie voller Demut annehmen. Und Euch auch auf die linke Wange schlagen lassen. Meint Ihr nicht auch?“
Bruder Basilius lächelte nachsichtig. „Ich sehe schon, die richtige Auslegung der Heiligen Schrift ist Eure Sache nicht. – Doch wollt Ihr mir nicht Eure Begleiterin vorstellen?“
„Natürlich, verzeiht. Ihr seht das edle Fräulein Katharina von Klingfurth vor Euch, die Tochter des Ritters Pernolt von Klingfurth. – Katharina, das ist Bruder Basilius, der Cellerar und Subprior des Stiftes“, stellte er die beiden
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