Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
Vom Netzwerk:
ein spitzes Stückchen Blei aus seiner Gürteltasche und zeichnete den Abdruck sorgsam nach. Dann fuhr er fort, den Boden sorgfältig abzusuchen. Bei der Truhe angekommen, ging er in die Hocke, um sich das Behältnis und das Durcheinander darum herum genauer anzusehen. Dabei entdeckte er auch das Stemmeisen, mit dem das Schloss aufgebrochen worden war. Unmittelbar daneben lag ein prall gefülltes Leinensäckchen. Es war der Beutel, den der Einbrecher ignoriert hatte. Obwohl unübersehbar war, dass er Geld barg. Die Truhe selbst war aus Eichenholz gefertigt und offensichtlich sehr alt. Sie befand sich in einem stabilen Zustand, lediglich das Schloss war zerstört worden.
    Wolf wandte sich an Lisa. „Erinnerst du dich noch, wo du die Gürteltasche hingesteckt hattest? Ich meine, wo ungefähr lag sie in der Truhe?“
    „Ganz unten, Herr. Zwischen Tüchern und Laken“.
    Wolf wunderte sich. „Warum so weit unten?“
    „Nun, Herr, wenn ich eine Fundsache aufbewahre, die nicht viel Wert besitzt, dauert es oft sehr lange, bis sich jemand meldet. Manchmal wird überhaupt nicht nachgefragt. Warum also sollte ich den Ramsch zuoberst aufbewahren, wo er mir doch ständig im Weg ist.“
    Wolf nickte, das leuchtete ein. „Und der Beutel mit dem Geld? Wo lag der?“
    „Der lag ganz oben, Herr von der Klause. Ihn brauche ich ja schließlich oft genug.“
    Auch diese Antwort ergab Sinn.
    Wolf erhob sich; er hatte genug gesehen.
    „Wie ich heute schon sagte, du solltest dir ab sofort einen anderen Platz suchen, um wichtige Dinge aufzubewahren“, riet er Lisa und wandte sich dem Ausgang zu.
    „Ja, Herr, ich weiß auch schon, welchen Platz ich wählen werde“, antwortete die Magd kleinlaut und folgte ihm.
    „Ach ja, noch etwas Lisa“, Wolf, zwängte sich durch die niedere Tür auf den Gang hinaus, „solltest du in den nächsten Tagen irgendetwas bemerken, was dir sonderbar vorkommt, und sei es nur die geringste Kleinigkeit, scheue dich nicht, es mir oder dem Grafen zu berichten – doch sonst niemandem, hast du verstanden?“, wies er sie mit Nachdruck an.
    „Ja, Herr von der Klause. Aber warum sprecht Ihr so? Fürchtet Ihr denn, dass bald wieder etwas Schlimmes geschieht? Vielleicht noch ein Diebstahl? Oder Schlimmeres?“ Ängstlich sah Lisa zu ihm auf, während sie neben ihm herging.
    „Nein, nein, mach dir keine Sorgen“, wiegelte er ab. „Aber du möchtest doch sicher, dass der Dieb bald gefasst wird, nicht wahr?“
    „Ja, natürlich, Herr, wer möchte das nicht?“
    „Siehst du, und deswegen ist es notwendig, dass du alles, was dir verdächtig erscheint, meldest. Aber wie ich dir schon sagte: nur mir oder dem Grafen. Sonst niemandem“, schärfte er ihr nochmals ein, bevor er das Gebäude verließ, um in seine Kammer zurückzukehren.
    Etwa eine Stunde später ging Wolf zu den Werkstätten hinüber. Er hatte bei Jörg Grießer, dem Schuster, ein Paar neue Stiefel in Auftrag gegeben und wollte nachsehen, wie weit diese gediehen waren. Plötzlich hörte er Hufgeklapper. Ein Reiter preschte durch das Tor.
    Das Erkennen war gegenseitig.
    Bruder Gregor, ein junger, ehrgeiziger Mönch aus dem Stift – sein vollständiger Name lautete Gregor von Kornthal – ritt eilig auf Wolf zu und sprang aus dem Sattel. Offensichtlich hatte er auf dem Weg hierher weder sich selbst noch sein Pferd geschont, denn dem Gaul zitterten die Flanken, und trotz des kühlen Wetters troff Schweiß an ihm herunter. Auch der Reiter selbst erweckte einen abgehetzten Eindruck.
    Wolf war erstaunt. „Bruder Gregor, Ihr? Was führt Euch denn hierher?“
    „Wie gut, dass ich Euch gleich treffe, Herr von der Klause. Prior Metschacher fordert Euch auf, so schnell wie möglich ins Stift zu kommen. Hoher Besuch ist eingetroffen. Heinrich von Olmütz, der Inquisitor, wünscht Euch zu sprechen. Heute noch. Die Sache duldet keinen Aufschub, soll ich Euch ausrichten. Ach, übrigens: Könnt Ihr mir sagen, wo ich den Grafen finde? Auch für ihn habe ich eine Botschaft.“
    Wolf erstarrte.
    „Oh, der Herr Inquisitor. Welche Ehre“, murmelte er sarkastisch. Dabei war er so verblüfft über die soeben erhaltene Nachricht, dass er die Frage des Mönchs gar nicht mehr beantwortete.
    Verständnislos schüttelte Gregor den Kopf und ging mit schnellen Schritten zum Wohntrakt der Herrschaft hinüber.
    Wolf stand noch immer wie angewurzelt.
    Fieberhaft dachte er nach. Diese ultimative Aufforderung – was sollte das Ganze? Bildete die Tatsache, dass er die

Weitere Kostenlose Bücher