Der Seelenhändler
einander vor.
Basilius kreuzte die Arme über der Brust und verbeugte sich. Katharina nickte ihm freundlich zu. Auch sie war inzwischen aus dem Sattel gestiegen.
„Was führt Euch hierher, Herr Wolf? Wollt Ihr Bertram besuchen?“, fragte der Mönch.
Wolf nickte. „Das auch. Doch zunächst will ich zum Prior. Er erwartet mich.“
„Zu Prior Metschacher? Ich denke, da müsst Ihr Euch noch ein wenig gedulden. Er hat hohen Besuch. Der Inquisitor, Heinrich von Olmütz, ist gerade bei ihm. Er kam heute zur Sext hier an, müsst Ihr wissen.“
„Das trifft sich gut. Zu ihm will ich auch“, entgegnete Wolf lakonisch.
„Wie – Ihr wollt zum Inquisitor?“, fragte Basilius ungläubig.
„Ja. Zum Prior und zum Inquisitor. Würdet Ihr Bruder Theobald bitten, mich zu den beiden zu führen? Er war nicht an seinem Platz, als wir das Tor passierten.“
„Er ist krank. Eigentlich müsste Bruder Siegbert ihn vertreten. Aber der befindet sich im Abtshaus; der Prior bat ihn, sich zur Verfügung zu halten und vor der Tür seines Arbeitszimmers Posten zu beziehen. Geht einfach hinüber, Ihr kennt ja den Weg.“
Wolf nickte. „Noch etwas, Bruder Basilius. Unterrichtet doch bitte Bruder Vitus, Bertrams Lehrer, darüber, dass ich angekommen bin. Und richtet ihm aus, dass er den Jungen nach dem Nachmittagsunterricht in der Vorhalle der äußeren Schule warten lassen möge, bis ich komme. – Was Fräulein von Klingfurth angeht: Sie würde sich in der Zwischenzeit gerne den Konventgarten ansehen. Glaubt Ihr, das ist möglich?“, bat er den Mönch. Auf dem Weg zur Abtei hatten sie beschlossen, dass Katharina, trotz des schlechten Wetters, dort auf ihn warten würde. Sie trug einen langen, mit einer Kapuze versehenen Umhang; die Nässe konnte ihr nichts anhaben.
„Aber natürlich. – Wenn Ihr mitkommen wollt, gnädiges Fräulein“, antwortete der Cellerar.
Katharina folgte ihm, nicht ohne Wolf vorher noch einen ermutigenden Blick zugeworfen zu haben. Während des Rittes hatte er ihr gegenüber seiner Verwunderung über die Vorladung Ausdruck gegeben und gemeint, er vermöge sich nicht vorzustellen, was der Inquisitor von ihm wolle. Dass er sich darum sorgte, seine Vergangenheit könne ans Tageslicht gezerrt werden, hatte er ihr wohlweislich verschwiegen.
Mit gemischten Gefühlen stieg Wolf die Treppe zum Scriptorium hoch. Eine eigenartige Spannung bemächtigte sich seiner, als er vor dem Scriptorium des Abtes auf Bruder Siegbert traf, der ihn bereits erwartete und mit einem Kopfnicken begrüßte. Der Mönch klopfte an die mächtige Eichentür, um den Besucher anzukündigen, öffnete ihm die Tür und bedeutete Wolf mit einer stummen Geste einzutreten.
Vor dem großen Eichentisch standen Otto Metschacher und Heinrich von Olmütz. Wolf sah sofort, dass der Inquisitor eine imposante Erscheinung war. Von stattlicher Größe, gekleidet in das schwarz-weiße Habit eines Dominikaners, war er durchaus das, was man auf den ersten Blick einen gut aussehenden Mann nennen konnte. Bis auf die Tonsur verfügte er über volles schwarzes Haar und einen gepflegten, kurz gestutzten Bart von gleicher Farbe, der ein ebenmäßiges Gesicht mit klassisch geschnittenen Zügen rahmte. Dennoch barg dieses Gesicht etwas Raubvogelartiges. Wolf brauchte nicht lange, um zu erkennen, woran dies lag: Es waren die Augen. Diese großen, fast unnatürlich runden, intensiv grünen Augen, die einen eigenartig stechenden Blick aussandten, der einem durch Mark und Bein drang.
Wolf verbeugte sich. „Gott zum Gruß, Herr Prior, Hochwürdiger Herr Inquisitor. Ihr wünscht mich zu sprechen“, grüßte er mit fester Stimme. In Gegenwart des Dominikaners empfand er es als passend, Otto Metschacher nicht bei seinem Vornamen anzureden.
Mit kaum wahrnehmbarem Nicken gab Metschacher den Gruß zurück. Er wandte sich an Heinrich von Olmütz. „Dies, Herr Inquisitor, ist Wolfram von der Klause“, sagte er kühl.
Der Inquisitor sah ihn stumm an. Er zeigte keinerlei Regung. Schweigend stand er da und musterte ihn wie die Schlange das Kaninchen.
Wolf hielt der Inspektion gelassen stand. Äußerlich war ihm nicht die geringste Unsicherheit anzumerken. Im Innern aber begann er, sich gegen das zu erwartende Verhör zu wappnen. Denn dass ein solches erfolgen würde, davon war er überzeugt.
Doch er wartete umsonst. Es gab kein Verhör.
Vielmehr geschah etwas, was ihn völlig verblüffte.
Über das Gesicht Heinrichs von Olmütz huschte plötzlich ein Lächeln. Er gab
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