Der Seelenhändler
mich genau, obwohl es nicht sehr auffällig war … Ich entdeckte es, als ich einer der Schwestern dabei half, den Kleinen zu baden. Man konnte es nur wahrnehmen, wenn man genau hinsah … Dann allerdings konnte man es gut erkennen. Es war in Feuermal … und zwar an der Unterseite der rechten großen Zehe.“
Katharina erstarrte.
„Ein Feuermal. An der Unterseite der rechten großen Zehe“, flüsterte sie entsetzt, während ihre Gedanken zu rasen begannen.
Das Massaker an der Familie des Köhlers.
Paul, dem die rechte Zehe fehlte.
Der „Eber“ in Rieden, der die „Trophäe“ empfangen hatte.
Und sein Wappenzeichen, das auf dem Leinen prangte, um dessentwillen sie hier, in der kühlen, modrigen Kirche, fröstelnd einer alten Nonne gegenübersaß, die über ein erstaunlich gutes Gedächtnis verfügte.
Besorgt und höchst irritiert hatte der Cellerar die plötzliche Veränderung in den Zügen der Klingfurtherin wahrgenommen.
Ebenso die Vorsteherin. Mit emporgezogenen Brauen, die außer Verwunderung auch eine Spur diskreten Missfallens ausdrückten, blickte sie auf die junge Frau, die sie um diese seltsame Audienz gebeten hatte.
„Ist Euch nicht gut, meine Tochter?“, fragte sie leicht konsterniert.
Katharina hatte sich jedoch schnell wieder in der Gewalt.
„Nein, nein …verzeiht, ehrwürdige Priorin“, antwortete sie und lächelte verlegen. „Ich bin wohl etwas durcheinandergeraten. Es ist alles in bester Ordnung“, versicherte sie.
„Nun denn – ich hoffe, Euch mit meinem Wissen weitergeholfen zu haben. Ist Euer Begehren damit gestillt?“, fragte die Nonne.
„Ja, ehrwürdige Meisterin. Doch lasst mich noch eine einzige Bitte äußern: Hättet Ihr die Güte, mir dieses Tuch zu überlassen und es gegen einen kostbaren Schal einzutauschen?“
„Behaltet Euren Schal, mein Kind. Wir sind aufgrund unseres Gelübdes gehalten, keinerlei kostbare Kleidung zu tragen. Nicht einmal ein leinenes Tuch. Darum hatten wir für das Leinen, das den Grund für Euren Besuch darstellt, auch keine andere Verwendung, als die, die ihr bereits kennt. Das Tuch überlasse ich Euch so. Nehmt es als Ausdruck unseres guten Willens, zur Klärung der fürchterlichen Tat beitragen zu wollen. Möge der Herr Euch dabei helfen. – Doch nun habt bitte Verständnis dafür, dass wir dieses Gespräch beenden müssen. Die Stunde des Gebets naht. Die Schwestern erwarten mich.“ Sie wandte sich an den Cellerar. „Was die Zuteilung für den Wein angeht, Bruder Basilius, werden wir uns wohl morgen noch einmal unterhalten müssen.“
„Wenn es denn sein muss“, entgegnete der Cellerar unverbindlich, jedoch mit einem hörbaren Seufzen.
„Nun denn – der Herr sei mit Euch beiden“, beendete die Vorsteherin das Gespräch.
„Mit Euch ebenso, Meisterin Euphemia“, erwiderte Basilius und verneigte sich.
Auch Katharina neigte den Kopf. „Habt von ganzem Herzen Dank, ehrwürdige Meisterin. Ihr habt einer gerechten Sache einen großen Dienst erwiesen“, verabschiedete sie sich.
Euphemia nickte noch einmal, dann schloss sie das Fenster.
Auf dem Weg zurück zum Stift brachte der Cellerar mit fassungslosen Worten seine Verwunderung über das soeben Gehörte zum Ausdruck, wobei er immer wieder den Kopf schüttelte und der Klingfurtherin eine Frage nach der anderen stellte.
Obwohl ihr eher nach Schweigen zumute war, bemühte sich Katharina, diese einerseits zu beantworten; andererseits hatte sie keine Lust, dem Mönch alles, was sie von Wolf erfahren hatte, auf die Nase zu binden. Als Basilius für einen kurzen Augenblick ins Nachdenken versank, versuchte sie das Gespräch daher in andere Bahnen zu lenken.
„Was meinte die Priorin eigentlich mit dem Wein?“, erkundigte sie sich, wobei sie ihrer Stimme einen möglichst unverbindlichen Tonfall zu verleihen suchte.
„Oh, der Wein – der Wein und die Nonnen“, seufzte Basilius und schaute schicksalsergeben zum Himmel, ganz so, als ob er von dort einen tröstlichen Zuspruch erwartete.
„Ihr müsst wissen, dass den Schwestern täglich eine bestimmte Menge Weines von jener Güte zusteht, wie auch wir ihn trinken“, fuhr er erklärend fort. „Nun behaupten sie, dass wir ihnen diesen vorenthalten, und drohen, den Bischof in dieser Sache anzurufen. Wobei der Herr weiß, dass ihre Klagen unbegründet sind. Dennoch beharren sie auf ihrem Standpunkt. Aber so sind sie eben, die Frauen – der heilige Paulus nennt sie zwar das schwächere Gefäß, aber er verschweigt, dass sie
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