Der Seelenhändler
zurückzulassen und mich ins schöne Salerno fortzumachen.“
Und wieder schenkte sie ihm jenen tiefen Blick, der ihn bereits gestern auf äußerst angenehme Weise irritiert hatte.
Im Gegensatz zu gestern allerdings verzichtete er heute darauf, sich einen Narren zu schelten.
15
Freitag, der elfte August des Jahres des Herrn 1385, sollte für Arnim von Hallstatt einer der schwärzesten Tage seines bisherigen Daseins werden. Dabei hatte der Tag recht vielversprechend begonnen.
Bereits am Abend zuvor war er in Rottenmann eingetroffen, um am nächsten Morgen pünktlich als Beauftragter des Grafen bei einer Verhandlung vor dem Stadtgericht aussagen zu können. Grund: Der Rottenmanner Bürger Konrad Eichelbeck hatte eine Klage gegen Friedrich von Saurau angestrengt. Doch das Ansinnen Konrad Eichelbecks war abgeschmettert worden, und Arnim von Hallstatt hatte die Verhandlung als klarer Sieger verlassen. Guter Dinge hatte er sich auf den Heimweg gemacht, wo er seinem Onkel nach seiner Rückkehr die Rolle, die er als Verteidiger der Interessen Gallensteins und damit auch des Stiftes gespielt hatte, in den beeindruckendsten Farben zu schildern gedachte.
Soeben ritt er hinter Bärndorf einen dicht bewaldeten Hügel bergauf, als ihn plötzlich ein ungewöhnliches Geräusch in dem Geäst einer Buche, die er soeben passierte, nach oben sehen ließ. Er konnte gerade noch einen dunklen Schatten wahrnehmen, der auf ihn herabfiel, verbunden mit einem dumpfen Schlag auf seinen Hinterkopf, dann schwanden ihm die Sinne.
Als er geraume Zeit später auf dem Rücken liegend und in die grelle Sonne blinzelnd erwachte, hatte er das Gefühl, als ob sämtliche Bienenschwärme des Ennstales in seinem Kopf nisteten. Sofort schloss er wieder die Lider, drehte sich stöhnend auf den Bauch und verharrte eine Weile in dieser Stellung. Dann richtete er sich mühsam kniend auf und blickte sich um. Einige Schritte von ihm entfernt graste der Rappe am Wegesrand.
Arnim fasste sich mit beiden Händen an den Kopf und fluchte. Er versuchte sich vollends zu erheben, doch kaum hatte er sich zur Gänze aufgerichtet, wurde ihm schwarz vor Augen, und er musste sich an den Stamm der Buche lehnen, um nicht zusammenzusacken. Wieder fasste er sich an den Hinterkopf. Er fühlte sich klebrig und feucht an: Blut.
Vorsichtig tastete er die Stelle ab, an der er den Schlag erhalten hatte, und fasste unmittelbar in eine riesige Platzwunde.
Abermals fluchte er und sah sich um.
Natürlich war der Schweinehund, der ihn so niederträchtig überfallen hatte, inzwischen spurlos verschwunden. Und mit Sicherheit hatte er ordentlich Beute gemacht. Denn immerhin enthielt seine Satteltasche einiges an Geld. Sein Blick suchte den Rappen, der seelenruhig am Wegesrand stand und genüsslich ein Grasbüschel nach dem anderen verschlang. Er pfiff dem Tier, das willig herantrottete. Hastig nahm er die Tasche vom Sattel und leerte den Inhalt auf die Erde – doch es war alles da, kein Stück fehlte. Auch der lederne Beutel, in dem er das Geld aufbewahrte, war nicht geöffnet worden, was Arnim seltsam vorkam und ihn die Stirn runzeln ließ. Denn wer sonst, wenn nicht ein gemeiner Dieb, sollte ihn so schmählich überfallen haben? Plötzlich fiel ihm die Verhandlung wieder ein. Und die wütenden Blicke des Konrad Eichelbeck, nachdem der Stadtrichter sein Urteil verkündet hatte. Vielleicht hatte ihm ja sein Gegner vor Gericht einen Denkzettel verpassen wollen?
Wie dem auch war, es war nicht mehr zu ändern, und so beschloss er, weiterzureiten. Er wollte nach Hause. Der Schwindel wich allmählich, mittlerweile konnte er sich wieder ganz gut auf den Beinen halten. Doch als er sich ans Aufsitzen machte, fiel sein
Blick auf den Ringfinger der linken Hand.
Er erschrak.
Der Ring. Der Siegelring mit dem Wappen des Saurauers.
Er fehlte.
Der Hallstatter überlegte. Hatte er vergessen, ihn wieder anzustecken, nachdem er im Auftrag des Grafen an diesem Vormittag noch schnell ein Dokument in Gegenwart des Stadtrichters gesiegelt hatte? Nein! Da war er sich ganz sicher. Grimm stieg in ihm hoch. Das Schwein, das ihn überfallen hatte, musste ihm den Ring vom Finger gezogen haben, während er bewusstlos am Boden gelegen hatte.
Zum wiederholten Mal blickte er sich um. Wohin war der Dreckskerl verschwunden? Natürlich in den Wald hinein, wohin sonst. Langsam schritt der Hallstatter den Weg ab und versuchte, rechts und links des Pfades in das dämmerige Dunkel der dicht an dicht stehenden
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