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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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Fall zu sein. Wie aber war Paul zu Hademar und dessen Frau gekommen? Darüber ließ sich nur mutmaßen. Hatte ihn die junge Mutter den beiden in Obhut gegeben? Und wenn ja, warum? War Hademar etwa der leibliche Vater des Jungen und Paul die uneheliche Frucht aus einer Beziehung, die er mit der jungen Tänzerin gehabt hatte? Wolf fiel ein, dass er über Hademar nicht gerade sehr viel wusste. Nur, dass er vor vielen Jahren bereits in der Buchau gelebt hatte, vor fünfzehn Jahren dann mit seiner Familie weggezogen und vor knapp einem Jahr mit dem Jungen, aber ohne seine Frau, wieder zurückgekehrt war. Die war zwischenzeitlich verstorben. Zumindest hatte Hademar dies Arnulf gegenüber behauptet. Das war alles.
    Das Mal an der Unterseite der rechten Zehe: Es konnte durchaus als besonderes Identitätsmerkmal betrachtet werden. War es dieses Mal, das Paul das Leben gekostet und seine Zehe zu einer begehrten Trophäe für den Eber gemacht hatte? Zum ersten Mal begann Wolf über die Bedeutung des Begriffs „Trophäe“ eingehender nachzudenken. War eine Trophäe nicht stets so etwas wie ein Siegeszeichen? Ein Beweis dafür, dass man jemanden überwunden, vielleicht sogar getötet hatte? Wenn man die Sache so betrachtete – war dann die Zehe etwa der Beweis dafür, dass Paul getötet worden war? Ein Zeichen, das derjenige empfangen sollte, der den Auftrag gegeben hatte, ihn zu beseitigen?
    Die Decke, in die man den Säugling gewickelt hatte: Sie trug das Zeichen des Ebers. Je mehr Wolf über diesen Umstand nachdachte, desto mehr stieß er auf einen Zusammenhang, der kalte Schauer über seinen Rücken jagte. Was, wenn das Leinen auf die Herkunft des Knaben hindeutete? Dann wäre Paul ein Verwandter des „Ebers“ gewesen! Den dieser, aus welchen Gründen auch immer, beseitigt hatte! In diesem Fall war es allerdings unwahrscheinlich, dass Hademar der Vater war. Oder etwa doch nicht?
    Arnulf: Welche Rolle hatte der Köhler in dem ganzen Verwirrspiel innegehabt? Immerhin hatte er zwei wertvolle Schmuckstücke mit dem Zeichen des Ebers bei den Meilern vergraben. Welche Verbindung bestand zwischen ihm, Paul, Hademar – und dem Eber in Rieden?
    Der Mord an der Familie Arnulfs und an Paul: In diesem Zusammenhang stellte sich ihm die Frage, die am schwersten zu beantworten war: Wie hatten die, die auf die „Trophäe“ – die Zehe mit dem Feuermal – aus waren, wissen können, dass Paul in jener Nacht bei Arnulf nächtigen würde?
    Noch konnte er nicht ahnen, wie nah und zugleich unendlich weit entfernt er in diesem Augenblick der Lösung des Rätsels um den Mord an Paul und Arnulfs Familie war.
    Wolf kehrte in die Gegenwart des Nachmittages auf der Bank im Kräutergarten zurück und sah Katharina nachdenklich an.
    „Verzeiht, ich weiß, ich war wieder einmal unhöflich“, entschuldigte er sich und rieb sich die Stirn.
    „Nein, das wart Ihr nicht. Ich kenne Euch mittlerweile. Ihr habt darüber nachgedacht, wer Paul wohl gewesen sein könnte, nicht wahr?“, entgegnete sie.
    „Ja. Es ist wohl schwer, etwas vor Euch geheim zu halten“, gab er lächelnd zu und begann, ihr in kurzen Zügen seine Überlegungen darzulegen.
    Als er geendet hatte, nickte sie nur kurz mit dem Kopf. Trotz der Wärme des Nachmittags fröstelte es sie. Ihr Blick wanderte zu dem Mönch hinüber, der, noch immer über die Beete gebeugt, mit einer Harke seiner Arbeit nachging, während der Haufen mit Unkraut neben ihm stetig wuchs. Unkraut – es wuchert nicht nur hier in den Beeten, sondern auch unter den Menschen, dachte sie.
    „Sagt, Katharina, wie nannte sich jene Truppe von Gauklern, der diese junge Frau angehörte?“, unterbrach Wolf ihre Gedanken.
    „Die Nonne sagte, es sei die Truppe um ,Rufus den Riesen‘ gewesen.“
    „Rufus der Riese“, murmelte Wolf nachdenklich.
    „Ihr beabsichtigt, Euch auf die Suche nach der Truppe zu machen?“, fragte die Klingfurtherin.
    Er nickte. „Ja, so bald wie möglich. Übrigens, Katharina … Ich bin Euch unendlich dankbar … Ihr seid eine großartige Frau … Ich hoffe nur …“ Er hielt zögernd inne. Seine Stimme begann wieder einmal heiser zu werden.
    „Ja?“, fragte sie.
    „Nun … ich hoffe nur, dass Eure … Eure Reise nach Salerno noch lange auf sich warten lässt“, vollendete er schließlich den Satz.
    Ein Lächeln spielte um Katharinas Mund.
    „So, das wünscht Ihr also? Nun, ich denke, da kann ich Euch beruhigen. Ich denke nicht daran, Euch mit all den Problemen hier allein

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