Der Seelenhändler
Bäume zu spähen. Er gelangte jedoch schnell zu der Überzeugung, dass das nichts brachte. Der Gauner musste inzwischen schon längst über alle Berge sein.
Er wollte gerade in den Sattel steigen, als sein Blick zufällig auf eine feuchte erdige Stelle am Wegesrand fiel, die von den wärmenden Strahlen der Sonne noch nicht erreicht worden war und in der sich, klar und scharf in den aufgeweichten Boden geprägt, der Abdruck einer Stiefelsohle befand.
Arnim bückte sich, um ihn näher in Augenschein zu nehmen. Kein Zweifel, er war noch frisch. Und gehörte unzweifelhaft zu einem rechten Stiefel, der wiederum dem Kerl zu eigen sein musste, der ihn überfallen hatte. Eigentlich war es ein ganz normaler Sohlenabdruck – bis auf eine Stelle im Bereich der Ferse, an der die Sohle, wie es aussah, beschädigt war und deshalb eine markante, halbmondförmige Kerbe auf der Erde hinterließ.
Konzentriert suchte er nach zusätzlichen Spuren, konnte jedoch nichts mehr finden, was von Bedeutung gewesen wäre. Also bestieg er endgültig seinen Rappen, um nach Hause zu reiten.
Es lag noch ein langer Weg vor ihm.
Friedrich von Saurau saß konzentriert über einem Stoß Pergamente, als ihn ein heftiges Pochen an der Tür aus seinen Überlegungen herausriss.
„Herein!“, rief er ärgerlich. Rupert, sein Diener, wusste doch, dass er montags um diese Zeit nicht gestört zu werden wünschte. Dann fiel ihm allerdings ein, dass er Rupert frei gegeben hatte, der schon gestern zu Verwandten in Bärndorf geritten war, weil es Streit um den Nachlass seines Vaters gab.
Die Tür ging auf; Arnim erschien, oder besser gesagt: Er wankte herein. Das strähnige Haar hing ihm wirr in das zerkratzte Gesicht, von dem sich eine dicke, verkrustete Blutspur bis zum Hals hinunterzog.
Der Graf sprang auf. „Um Gottes willen, Arnim, was ist geschehen?“, rief er entsetzt und humpelte so schnell er konnte auf den Neffen zu. Die Folgen des Sturzes, den Friedrich vor knapp einer Woche erlitten hatte, waren noch deutlich sichtbar.
„Ein Überfall, Onkel“, entgegnete Arnim tonlos. „Ein gemeiner Überfall, der mich beinahe das Leben gekostet hätte“, übertrieb er schamlos.
Der Saurauer schob ihm einen Stuhl zu.
„Hier, nimm erst einmal Platz!“, sagte er besorgt und begab sich an sein Schreibpult zurück. „Also, was ist geschehen?“
Der Hallstatter setzte sich ächzend. Im Tonfall eines Märtyrers begann er zu berichten, während der Graf stirnrunzelnd zuhörte.
„Und du hast den Strolch nicht erkannt?“, fragte Friedrich nachdrücklich, als sein Neffe den Bericht beendet hatte.
„Aber nein. Es ging alles so schnell. Ich sah einen Schatten, verspürte einen Schlag, dann schwanden mir die Sinne. Als ich erwachte, lag ich mit höllischen Schmerzen am Boden, und der Dreckskerl, der mich überfiel, war wie vom Erdboden verschluckt. Wie also hätte ich ihn erkennen sollen?“
Der Graf nickte. „Ja, natürlich“, gab er zu, „du hast Recht.“ Er seufzte. „Es hört nicht auf. Es hört einfach nicht auf“, klagte er und starrte finster zu Boden.
Plötzlich sah er auf. „Wir werden Wolf von der Klause hinzuziehen. Vielleicht kann er sich einen Reim auf die Sache machen.“
„Der Klausner? Wie sollte uns dieser arrogante Besserwisser schon weiterhelfen können“, protestierte Arnim verächtlich.
„Du wirst ihn unterrichten, verstanden? Er ist der Einzige in der ganzen Gegend, dessen Scharfsinn uns weiterbringen kann. Also, hör endlich auf, ständig an ihm herumzunörgeln“, entgegnete Friedrich in ungewöhnlich scharfem Ton.
Seine Antwort kam einer Ohrfeige gleich. So empfand es zumindest der Hallstatter. Er wurde blass. Wut brandete in ihm hoch. War das der Dank dafür, dass er sich für seinen Dienstherrn fast hatte umbringen lassen? Wo blieb die Anerkennung, die er erwarten durfte?
Unvermittelt wurde er in seinem Gedankengang, der seinen Zorn nährte, unterbrochen, als es auf einmal an die Tür klopfte.
„Herein, zum Teufel, was gibt es denn nun schon wieder?“, rief der Saurauer aufgebracht.
Wolf trat herein. Doch er öffnete die Tür nur halb und blieb, den Türgriff in der Hand, im Rahmen stehen.
„Verzeiht, Graf, aber ich kann auch sofort wieder gehen, wenn ich Euch jetzt störe, und später wiederkommen.“
„Nein, nein, bitte verzeiht, Wolf, so war es nicht gemeint. Ich sagte Euch ja schon einmal, mit dem Gemüt und mit der Geduld steht es bei mir nicht gerade zum Besten. Jeden Tag eine andere
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