Der Seelenjaeger
vor Wut zitternd seine Kehle. Das Bild einer rasenden Gestalt im schwarzen Ledermantel schob sich vor mein inneres Auge.
„Du bist der Seelenjäger?“, fragte der Baum leicht überrascht. „Ich hätte jemand Größeren erwartete, aber du bist so … bist so … winzig“, gab er grübelnd zurück und begann dröhnend zu lachen.
Die komplette Baumkrone wankte und die Äste vibrierten und schüttelten sich. Instinktiv griff ich mir einen der Zweige, um meinen Halt weiterhin zu gewährleisten.
„Winzig?“, schrie der Jäger. „Siehst du diese Klingen?“, fragte er leise lauernd.
Das Rütteln um uns herum stoppte.
„Ja, die sehe ich sehr wohl“, bekam er bestätigt.
„Mit diesen Klingen“, begann der Düstere zu erklären, „ziehe ich die Seelen aus Körpern. Die Betroffenen werden erst müde, dann fiebrig, sind schlussendlich vollkommen verwirrte leere Hüllen und wählen selbstständig die Art, wie sie sich ihres Lebens entledigen. In diesem Augenblick bin ich zur Stelle und sauge ihr geschundenes Selbst auf.“
„Aha“, gab der Baum trocken zurück.
Ein tiefes Knurren verließ die Kehle des Jägers, bevor er fortfuhr: „Und wenn du mir nicht augenblicklich sagst, wohin sich die fünf Seelen, die ich jage, verkrochen haben, werde ich die Klingen in dich schlagen und mir deine Seele nehmen“, drohte er.
Es herrschte einen Moment Stille, dann begann das Beben erneut, als der Baum brüllend losgrölte.
Sein Gegenüber schnaubte wütend. „Was ist daran so lustig!?“, schnauzte er.
„Ich … ich bin ein … ein Baum“, erklärte das Holz lachend.
„Und?“, lauerte der Jäger.
„Bist du wirklich so blöd, oder tust du nur so?“, wollte der Baum wissen.
In meinem Kopf drehte sich alles. Was war in ihn gefahren, diese bedrohliche Gestalt so sehr in Rage zu bringen?
Kann ein Baum den Verstand verlieren?
, fragte ich mich ernsthaft.
Der Angesprochene schnaubte erneut wütend, als er ansetzte: „Du … ich … was … was fällt dir ein!?“
„Du kannst mir drohen, soviel du willst. Und auch wenn du deine mickrigen Stäbchen in meinem Holz versenkst, wirst du keine Seele finden. Ich bin ein Baum“, stellte er klar.
Das tiefe Grollen aus des Seelenjägers Kehle steigerte sich in einen ohrenbetäubenden Schrei der Wut.
„Sollte ich herausfinden, dass du meiner Beute bei der Flucht behilflich warst, komme ich mit einer Axt bewaffnet zurück!“
„Ich zittere vor Angst“, kommentierte der Baum lachend.
Erleichtert ließ ich die angestaute Luft aus meinen Lungen entweichen, als ich das leiser werdende Fluchen des Jägers realisierte. Er schien sich von unserem Versteck zu entfernen. Um mir diesen Verdacht zu bestätigen, lehnte ich mich vor und schaute hinunter. Der in schwarzes Leder gehüllte Mann war verschwunden. Ich stellte dies nicht als einziger fest, wie mir das anschwellende Flüstern im Blattwerk verriet.
„Er ist weg“, rauschte es wispernd durch die Baumkrone.
„Er hat es geschafft. Er hat uns beschützt“, freute man sich.
„Das war leichtsinnig“, motzten anderen Stimmen.
Leichtsinnig?,
fragte ich mich. Dann schoss es mir so klar in den Kopf, dass ich erbleichte. Natürlich! Der Baum lebte, also verfügte er über eine Seele, schlussfolgerte ich. Er hatte hoch gepokert und der Seelenjäger übersah in seiner Wut diesen offensichtlichen Aspekt. Deshalb verspottete und veralberte ihn der Baum so dermaßen. Er war nicht lebensmüde, sondern hatte einen riskanten doch effektiven Weg gefunden, um uns alle zu schützen.
„Ihr könnt runter kommen“, riss mich die bebende Stimme aus meinen Überlegungen.
„Haha, sehr witzig“, gab Knox von sich.
„Ist der Fahrstuhl defekt?“, fragte Lara und grinste zu mir herüber.
“Alles muss man selber machen”, murrte der Baum. Dennoch nahmen die Zweige ihre Arbeit auf und umschlangen unsere Körper. Sachte schwebten wir dem Boden entgegen und wurden abgesetzt.
„Danke“, sagte Zad in unser aller Namen.
„Ja, danke dir“, fügte Tefan hinzu. „Wie können wir uns erkenntlich zeigen?“
„Erkenntlich? Das habe ich doch gern getan.“
„Schön zu sehen, dass es auch anders geht”, freute ich mich und dachte an den fordernden Baum im Hain der weißen Tannen zurück.
Die Augen im Stamm weiteten sich und schauten forschend zu mir. „Was meinst du Junge?“, fragte er lauernd.
Ich räusperte mich, trat einen Schritt vor und erklärte: „Als ich das letzte Mal mit einem Baum sprach, im Hain der weißen
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