Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seelenleser

Der Seelenleser

Titel: Der Seelenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harper Paul
Vom Netzwerk:
Anbieter. Und jetzt, da die Weltkonzerne Geschmack an den Milliarden Dollar durch Regierungsaufträge– und an den unendlichen Möglichkeiten, aus dem Zugriff auf die Geheimnisse der Regierungen der Welt weitere Milliarden machen zu können– gefunden hatten, taten sie alles, was in ihrer Macht lag, um diesen Trend zu fördern. Diese Machtverschiebung war furchteinflößend und äußerst fragwürdig, und der Durchschnittsbürger war sich noch nicht einmal bewusst, dass dergleichen stattgefunden hatte.
    » Ich habe von denen schon Aufträge angenommen«, sagte Noble. » Ich kann da nicht nachschauen. Die kennen meine Computer, und ich kann nicht in ihre Systeme eindringen, ohne eine Spur zu hinterlassen.«
    » Ich weiß. Du hast wie immer großartige Arbeit geleistet, Bobby, und du hast mir wirklich weitergeholfen. Ganz herzlichen Dank!«
    Fane legte auf und wählte eine andere Nummer.
    » Shen, Marten hier. Ich muss mit dir sprechen.«
    Die Fotobücher legen neben ihm auf dem Sofa, das leere Whiskyglas stand auf dem Polsterhocker. Er hatte verschiedene Bücher über zwei bestimmte Arten von Porträts ausgewählt: Bilder von Leuten, die sich nicht bewusst waren, dass sie fotografiert wurden (die U-Bahn-Fotos von Walker Evans), und Bilder von Leuten, die sich schmerzhaft bewusst waren, dass sie fotografiert wurden (von Diane Arbus und von Richard Avedon). Dann verbrachte er etwas Zeit mit einer Sammlung von Porträts von Claude Serne, einem spanischen Fotografen, der seinen Modellen vorgab, sie sollten an bestimmte Themen denken (Glück, Schrecken, Tod, Vergebung, Gewalt), während er sie fotografierte.
    Er beschäftigte sich etwa eine halbe Stunde mit den Büchern, bevor er sie beiseitelegte, um den Regen zu beobachten. Endlich hatte sich sein Verstand so weit beruhigt, dass er noch einmal in Ruhe die Ereignisse überdenken konnte, die in den letzten achtundvierzig Stunden abgelaufen waren, seitdem er im Stafford in Vera Lists Raum getreten war. Ohne es zu ahnen, hatte sie eine ungeheure Lawine losgetreten.
    Was auch immer Ryan Kroll vorhatte, als er in Veras sorgenvolle Welt kroch, es würde grausam sein, und er führte es mit einer fürchterlichen Präzision aus. Fane hatte so ein Gefühl, als bliebe ihm nicht mehr viel Zeit, um herauszufinden, was Kroll plante, bevor es zu spät war. Er bekam Bauchgrimmen davon.
    Er dachte an Vera List, wie sie die drei Fotografien auf seinem Schreibtisch angeschaut hatte. Er wünschte sich plötzlich, dass er eine Fotografie von ihr hätte, wie sie schweigend die Bilder der drei Frauen betrachtete. Würde dieses Foto ihm mehr über sie sagen, als die Fotos ihr über diese Frauen mitgeteilt hatten?
    Schließlich war eine Fotografie nur wenig mehr als ein momentaner Triumph über das Rätsel der Individualität. Obwohl sie manchmal ausreichte, um die Vorstellungskraft zu beflügeln oder das Gewicht der Erinnerung zu tragen, war sie am Ende doch nie genug. Es lagen mehr Geheimnisse in den Schatten einer Fotografie versteckt, als von dem in ihr gefangenen Licht enthüllt wurden.

Kapitel 25
    Um halb drei am Morgen war Lambeth Court noch widerlicher als in den warmen, drückend feuchten Mittagsstunden. Das einzige Geräusch war ein stetes Tropfen, und die Nässe der Nacht lag als stinkender, rutschiger Schmierfilm auf den Pflastersteinen, sodass Krolls Schuhe mit jedem Schritt zu schmatzen schienen. Er war wütend auf sich selbst. Wie konnte er in dieser Sache an sich selbst zweifeln? Er hatte doch sogar das verdammte Stethoskop verwendet!
    Aber… er hatte es früher schon erlebt, in Kabul, in Peschawar. Jeder hatte gedacht, dass die Person längst tot wäre, und während sie herumstanden, die Leiche ignorierten, rauchten und quatschten, fing das verdammte Ding plötzlich zu husten an! Und schon war sie im Leben zurück.
    Er hatte es mit eigenen Augen gesehen. Mehr als einmal.
    Die Finsternis in dieser Allee verschluckte alles. Er zog eine kleine LED -Leuchte aus seiner Tasche und verbarg sie in der Handfläche, sodass nur ein winziger Strahl zwischen seinen Fingern hindurchschien und ihm half, den richtigen Eingang zu finden. Dann in den Korridor hinein und die Treppe hinauf, über der vermutlich schon seit Jahrzehnten der muffige Gestank von Enttäuschung und Verfall hing.
    Die Wahrscheinlichkeit, jemandem zu begegnen, war gering, aber selbst wenn dies geschah: Dies hier war ein Ort, wo Leute wegblickten, wenn sie jemandem auf dem Gang begegneten, oder sogar ihr Gesicht zur Wand

Weitere Kostenlose Bücher