Der Seelenleser
möchte nicht, dass irgendein Detektiv oder irgendeine Agentur mich kennt. Sie müssen das wissen.«
Elise hatte sich ihm zugewandt und betrachtete ihn ernst.
» Anonymität ist in meinem Geschäft alles. Ohne sie kann ich nicht das tun, was ich tue. Falls ich Ihnen helfen werde, dürfen Sie mich nie– niemals– irgendjemandem gegenüber erwähnen. Falls ich Ihnen hier helfe, dann findet das alles in einer eigenen Welt statt, auf einer eigenen Ebene. Sie dürfen es auf keinen Fall mit irgendetwas anderem vermischen.« Selbst jetzt, wo er ihr begreiflich machen musste, wie kritisch dieser Punkt war, war er sich ihrer unglaublichen Schönheit bewusst. In diesem Moment erkannte er, wie gründlich ihre Ästhetik überdeckte, wer und was sie im Innersten war.
» Sie verstehen das, oder?«, fragte er.
Sie nickte. » Ja, das ist mir klar.«
Sie war davon nicht eingeschüchtert, Fane konnte das deutlich erkennen. Ihr Leben mit Jeffrey Currin hatte sie gelehrt, was Macht ist und wie sie funktioniert. Für Elise Currin waren Fanes Worte lediglich ein durchaus angebrachter Hinweis auf die geltenden Regeln gewesen.
» Ich werde Ihnen jetzt erklären, wie wir diesen Fall meiner Ansicht nach angehen sollten und warum«, sagte Fane. » Falls Sie dem nicht zustimmen können, müssen Sie jemand anderen finden, der Ihnen hilft.«
» Bevor Sie weiterreden…«, unterbrach sie ihn, » was halten Sie von dem, was ich Ihnen über Ray Kern gesagt habe?«
» Wie ich vorhin schon sagte– ich glaube, er versucht, Sie in eine Falle zu locken. Sein Verhalten ändert sich. Die Intensität steigert sich enorm.« Er zögerte einen Moment. » Das klingt alles nicht gut.«
Elise nickte. Der Blick, den sie ihm zuwarf, verriet, dass ihre Gedanken abschweiften, und plötzlich wirkte sie traurig. Er war überrascht, dass ihre Trauer die Angst verdrängte.
» Was wollen Sie, das ich tue?«, fragte sie.
Kapitel 24
Nachdem er Elise nach Hause gebracht hatte, fuhr Fane in Richtung Fillmore Street und parkte in der Nähe der Wilmot Street. Er hatte es nicht mehr weit bis zum Florio und hatte das Glück, keine zehn Minuten an der Bar warten zu müssen, bis ein Tisch frei wurde. Er saß direkt an der Wand, einem seiner Lieblingsplätze, und bestellte einen Nierenzapfen mit Pommes frites und dazu eine Karaffe Zinfandel.
Eineinhalb Stunden später fuhr er seinen Mercedes in die Zufahrt seines Hauses. Gerade als er den Motor abstellte, summte sein BlackBerry. Der Anruf kam von Noble.
» Marten, ich habe hier etwas für dich. Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist, aber es ist auf jeden Fall verdammt interessant. Als ich nach deiner RK -Kombination gesucht habe, hatte ich sofort fünf Treffer:
Randall Kirsh
Richard Keyes
Ruben Koper
Ryan Kroll
Ralph Koch
Ich habe alle Namen näher untersucht. Einer ist tot, zwei sind in Europa, einer ist in Dubai und einer direkt hier in San Francisco. Ryan Kroll. Zuletzt stand er in Diensten von VS .«
» Oh verdammt«, fluchte Fane.
» Ja und wie.«
Vector Strategies war eines der größten privaten Geheimdienstunternehmen der Welt, ein Koloss, der zehn Milliarden Dollar Umsatz im Jahr mit Spionage machte und sein Hauptquartier in San Francisco hatte.
In den Jahren, die direkt auf das Ende des Kalten Krieges folgten, bauten der CIA und andere amerikanische Geheimdienste massiv Personal ab. Hunderte Spione und Meisterspione saßen plötzlich auf der Straße. Sich selbst überlassen, fanden diese einzigartig ausgebildeten Männer und Frauen schnell in aller Herren Länder neue Arbeit auf beiden Seiten des Rechtssystems. Letzten Endes hatte immer jemand Bedarf für ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten.
Dann kam der 11. September 2001. Plötzlich stellten die Geheimdienste fest, dass sie zu wenig Geld und zu wenig Personal hatten, um die neuen Gefahren bekämpfen zu können, die sich vor ihnen aufgetan hatten. Außerdem waren sie jämmerlich unvorbereitet. Sie wandten sich an genau die Männer und Frauen, die sie noch vor ein paar Jahren entlassen hatten. Quasi über Nacht entstanden Unmengen privater Geheimdienstunternehmen, gegründet und geleitet von Leuten, die früher im Staatsdienst gewesen waren.
Die jetzt selbstständig gewordenen Spione verdienten das Fünffache gegenüber früher.
Das Zeitalter der » gewerblichen Informationsbeschaffung« brach an, und das Geschäft blühte. Mehr als siebzig Prozent des Geheimdienst-Budgets der Vereinigten Staaten flossen in die Taschen privater
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