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Der Seelensammler

Der Seelensammler

Titel: Der Seelensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donato Carrisi
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Verbindung stand, hat er verdeckt ermittelt.«
    »Wieso ›hat‹?«
    »Weil er spurlos verschwunden ist, und das seit mehr als einem
Jahr.«
    Diese Nachricht machte sie sprachlos. Sandra wusste nicht mehr, was
sie denken sollte. »Entschuldigung, aber wenn der auf dem Foto euer Agent ist
und ihr nicht wisst, was aus ihm geworden ist – mit wem, bitte schön, hatte ich
dann das Vergnügen?«

EIN JAHR ZUVOR
PRYPJAT
    Die Wölfe verständigten sich in den verlassenen Straßen
miteinander, heulten ihre Namen in den schwarzen Himmel. Sie waren jetzt die
Herrscher über Prypjat.
    Der Jäger konnte sie hören, während er im elften Stock des
Wohnblocks Nummer 109 versuchte, Anatolij Petrows Tür aufzubrechen.
    Die Wölfe wussten, dass der Eindringling die Stadt nicht verlassen
hatte, und suchten jetzt nach ihm.
    Vor Sonnenaufgang würde er den Ort nicht verlassen können. Seine
Hände schmerzten vor Kälte, und er hatte Probleme mit dem Schloss. Schließlich
bekam er es doch auf.
    Die Wohnung war genauso geschnitten wie die nebenan. Nichts schien
angerührt worden zu sein.
    Die Fenster waren mit Isolierband versiegelt. Anatolij musste direkt
nach der Atomkatastrophe zu dieser Vorsichtsmaßnahme gegriffen haben, damit die
Strahlung nicht durch die Ritzen drang.
    Sein Ausweis mit Foto hing über der Kraftwerkuniform im Flur. Der
Mann auf dem Bild war ungefähr fünfunddreißig Jahre alt, hatte glattes blondes
Haar und einen Pony, der seine Stirn bedeckte. Hinter der dicken Brille eines Kurzsichtigen
verbargen sich ausdruckslose blaue Augen. Dünne Lippen, darüber ein
Schnurrbart. Die genaue Bezeichnung seines Berufes lautete »Turbinentechniker«.
    Der Jäger sah sich um. Die Einrichtung war bescheiden. Im Wohnzimmer
standen ein Sofa mit geblümtem Samtbezug und ein Fernseher. In einer Ecke
befanden sich zwei leere Glaskästen. Ein Teil der Wand wurde von einem Bücherregal
eingenommen. Der Jäger trat näher, um die Aufschrift auf den Buchrücken zu
entziffern: Es gab Werke zur Zoologie, Anthropologie, vor allem aber zur
Verhaltensforschung. Zu den Autoren zählten Darwin, Lorenz, Morris und Dawkins:
Studien über das Lernverhalten von Tieren, über die Auswirkungen verschiedener
Umwelteinflüsse auf bestimmte Arten. Traktate über das Verhältnis von Instinkten
und äußeren Reizen. Lektüre, die nichts mit der Arbeit als Turbinentechniker zu
tun hatte. Weiter unten standen Hefte, mindestens zwanzig, die alle
durchnummeriert waren.
    Der Jäger wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Wichtig
war vor allem, dass Anatolij Petrow hier allein gelebt hatte. Nichts wies
darauf hin, dass er verheiratet war oder gar ein Kind hatte.
    Für einen kurzen Moment war er enttäuscht. Nun würde er den Rest der
Nacht hier umsonst verbringen müssen. Er konnte kein Feuer machen, weil der
Verbrennungsvorgang die Strahlung erhöhen würde. Er hatte nichts zu essen
dabei, nur Wasser. Er würde Decken und irgendeine Konserve organisieren müssen.
Als er sich danach auf die Suche machte, fiel ihm auf, dass im
Schlafzimmerschrank keine Kleider mehr hingen. Auch die Regale der
Vorratskammer waren leer. All das ließ darauf schließen, dass Anatolij so klug
gewesen war, Prypjat direkt nach der Tschernobylkatastrophe zu verlassen, und
zwar noch vor der Massenevakuierung. Er war nicht überstürzt aufgebrochen wie
die anderen. Wahrscheinlich hatte er den beschwichtigenden Meldungen der
Behörden, die die Bevölkerung aufgefordert hatten, zu Hause zu bleiben, keinen
Glauben geschenkt.
    Der Jäger machte sich im Wohnzimmer ein Lager aus Sofakissen und
einigen Decken zurecht. Er wollte sich mit dem Wasser, das er dabeihatte,
Gesicht und Hände waschen und den radioaktiven Staub so wenigstens ansatzweise
entfernen. Er zog die Feldflasche aus dem Rucksack, und dabei fiel das Stoffkaninchen
heraus, das einst dem falschen Dima gehört hatte. Er legte es neben den
Geigerzähler und die Taschenlampe, damit es ihm in dieser absurden Situation
Gesellschaft leistete. Er lächelte.
    »Vielleicht kannst du mir helfen, Kleiner!«
    Das Stofftier beschränkte sich darauf, ihn mit seinem einzigen Auge
anzustarren, und der Jäger fühlte sich wie ein Vollidiot.
    Immer wieder sah er zu den Heften im Bücherregal hinüber. Er zog ein
beliebiges hervor – die Nummer sechs – und nahm es mit zu seinem Lager.
    Es hatte keinen Titel, die Seiten waren handbeschrieben. Die
kyrillischen Buchstaben bildeten ein sauberes Schriftbild. Er las die erste
Seite. Es

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