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Der Seelensammler

Der Seelensammler

Titel: Der Seelensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donato Carrisi
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gelockt, indem er ihr das Heiligenbildchen
unter der Hotelzimmertür durchgeschoben hatte. Diesem Detail hatte Sandra
bisher gar keine Bedeutung beigemessen. Warum hatte er gewollt, dass sie diesen
Ort kennenlernte?
    Das dunkle Foto.
    Wenn er glaubt, dass dieses dunkle Bild die Lösung des Rätsels
enthält, also einen Hinweis auf das Archiv der Pönitenziare, dann muss es in
dieser Kapelle versteckt sein!, dachte Sandra. Nur dass Schalber nicht
herankam.
    Sie betrachtete das Foto erneut. Das Bild war keine misslungene
Aufnahme! David hatte gewollt, dass es so dunkel ist.
    Wenn es keine Instanz mehr gibt, an die man sich
wenden kann, bleibt am Ende nur noch der Glaube an einen Gott, dessen Existenz
man eigentlich leugnet.
    Bevor sie nach Mailand zurückfuhr, musste sie unbedingt noch einmal
die Kirche Santa Maria sopra Minerva aufsuchen.
    Der letzte Hinweis Davids war ein Glaubensbeweis.

EIN JAHR ZUVOR
PRYPJAT
    Der Jäger war nicht allein. Die Geisterstadt hatte noch
einen anderen Bewohner.
    Er ist hier.
    Der Verwandlungskünstler hatte sich das ungastlichste Versteck
überhaupt ausgesucht: einen Ort, an dem ihn niemand suchen würde.
    Er ist nach Hause zurückgekehrt.
    Der Jäger konnte ihn regelrecht wittern. Die Blutstropfen auf dem
Boden waren noch feucht.
    Er ist ganz in der Nähe.
    Er musste sich schleunigst etwas einfallen lassen. Im Wohnzimmer
lagen noch die Taschenlampe und der Rucksack mit der Narkosepistole. Aber er
hatte keine Zeit mehr, sie zu holen.
    Er hat mich beobachtet.
    Er wollte nur noch weg aus dieser Wonung. Seine einzige Rettung
bestand darin, den Volvo zu erreichen. Er stand noch vor den Betonblöcken, die
die Zufahrt zur Stadt versperrten. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Zum
Teufel mit den Wölfen!, dachte er. Er hatte keinen Plan, konnte nur noch die
Flucht ergreifen.
    Er rannte zur Haustür und dann die Treppenstufen hinunter. Im
Dunkeln sah er nicht, wo er hintrat. Wenn er jetzt stürzte, war das das Ende.
Doch die Vorstellung, mit einem gebrochenen Bein in diesem Treppenhauslabyrinth
gefangen zu sein und auf den Feind warten zu müssen, mahnte ihn nicht etwa zur
Vorsicht, sondern trieb ins erst recht zur Eile an. Immer wieder nahm er, in
dem Versuch, den Müllbergen auszuweichen, mehrere Stufen auf einmal. Er
keuchte, und kalter Schweiß strömte ihm den Rücken hinunter. Seine Schritte
hallten im Treppenhaus wider.
    Nach elf Stockwerken stand er draußen auf der Straße und bekam kaum
noch Luft.
    Um ihn herum nichts als Schatten: Gebäude, die ihn aus tausend
leeren Augen anstarrten. Autos wie Särge, bereit, ihn aufzunehmen. Bäume, die
ihre dünnen Arme nach ihm ausstreckten. Der Asphalt barst unter seinen Füßen,
als stünde der Weltuntergang bevor. Angst schnürte ihm die Kehle zu, und seine
Lunge brannte. Jeder Atemzug tat weh. So also fühlte es sich an, vor jemandem
auf der Flucht zu sein, der einem nach dem Leben trachtet.
    Der Jäger war zur Beute geworden.
    Wo bist du? Ich weiß, dass du hier bist und mich
beobachtest. Du amüsierst dich über meine Verzweiflung und bereitest dich auf
deinen großen Auftritt vor.
    Er bog um die Ecke und stand vor einer Allee. Plötzlich wurde ihm
klar, dass er nicht mehr wusste, wo er hergekommen war. Er hatte die
Orientierung verloren. Er blieb stehen, um nachzudenken, stützte sich auf den
Oberschenkeln ab, um zu verschnaufen. Dann entdeckte er die verrosteten
Überreste eines Karussells und wusste, dass er in Richtung Vergnügungspark
lief. Der Volvo war keine fünfhundet Meter mehr entfernt. Er konnte es
schaffen.
    Ich werde es schaffen.
    Er trieb sich zur Eile an, ignorierte Schmerz und Erschöpfung, Kälte
und Angst. Aber aus den Augenwinkeln sah er den ersten Wolf.
    Das Tier war näher gekommen und lief neben ihm her. Bald tauchte ein
zweiter Wolf auf, dann ein dritter. Sie folgten ihm in einer gewissen
Entfernung. Der Jäger wusste, dass sie ihn angreifen würden, sobald er seine
Schritte verlangsamte.
    Deshalb schonte er sich nicht. Hätte ich doch
noch die Zeit gehabt, die Narkosepistole mitzunehmen …
    Der Volvo stand dort, wo er ihn abgestellt hatte. Er spürte
Erleichterung. Doch was, wenn sich jemand daran zu schaffen gemacht hatte. Das
wäre das Ende! Aber er durfte jetzt nicht nachlassen. Ihm fehlten nur noch
wenige Meter, als einer der Wölfe einen Vorstoß wagte. Der Jäger versetzte ihm
einen Tritt, und obwohl er ihn nicht richtig traf, schaffte er es, sich ihn vom
Leib zu halten.
    Das Auto war keine Fata Morgana, es

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