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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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man begonnen hat, muß man zu Ende bringen!› Du hast einen Satz begonnen, also bring ihn zu Ende.»
    Doch Carl wich aus. Sie kamen auf etwas anderes zu sprechen. Dann wurde es ihnen zu kalt. Isabelle knipste die Kutscherlampen aus. Sie räumten alles zusammen und gingen hinein. Nachdem die Gläser, die leeren Flaschen und der volle Aschenbecher in der Küche standen, erwartete Isabelle, daß Carl gehen würde. Doch das tat er nicht.
    «Darf ich noch einen Moment bleiben?»
    Isabelle guckte auf die Armbanduhr. Es war Mitternacht. «Carl!»
    «Ich weiß, daß morgen dein Tag ist. Aber trotzdem, oder gerade deshalb ...»
    «Also gut: eine Viertelstunde.» Ihr fiel etwas ein. «Oh!» Lächelnd holte sie das Gemälde herein, das sie draußen vergessen hatte, und stellte es auf das offene englische Rollbureau, das sie sich zum Einzug gegönnt hatte. Es machte sich gut auf dem Palisanderholz neben den kleinen Schubladen und Innenfächern, dem antiken Tintenfaß und der Metallschale mit Herbstäpfeln. Ein kurzer, prüfender Blick auf dieses Stilleben, dann verschloß sie die Balkon-Flügeltüren und zog schwungvoll die dicken maisgelben Chintzvorhänge zu. Sofort wirkte der Raum gemütlich und weich. Carl nahm auf dem mit dunkelblauem Leinen bezogenen Sofa Platz.
    «Aber noch einen Wein mache ich nicht auf!» erklärte Isabelle kategorisch und setzte sich zu ihm. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und zog die Beine an, nahm die Schachtel Gauloises vom Tisch, klopfte eine Zigarette heraus und wollte sie sich anzünden. Er hinderte sie daran, indem er sie ihr wegnahm und ihre Hand auf das Sofa herunterdrückte. «Du hast genug geraucht. Den ganzen Abend bist du schon hibbelig!»
    Sie maulte. «Ich bin eben nervös. Wundert dich das?»
    «Es wird alles wunderbar. Du kannst ganz und gar beruhigt sein!» sagte er mit sanfter Stimme. Und dann fügte er etwas hinzu, sagte es auf seltsame Weise, indem er sie nicht anschaute, sondern von ihr wegsah, als blickte er in eine ungewisse Zukunft: «Ich habe so lange darauf gewartet.»
    Erstaunt schaute sie ihn an.
    Er erwiderte ihren Blick. «Daß wir einen solchen Abend verbringen. Ohne die anderen, ohne offiziellen Anlaß, ohne Grund ... ohne Probleme lösen zu müssen: nur wir beide. Nur du und ich. Allein. Ich habe so lange darauf gewartet, bis du soweit bist ...»
    «Was meinst du?»
    «Ich will dir etwas erzählen ...»
    Carl lehnte sich zurück, nahm eines der Kissen, legte es sich auf den Bauch und ließ seine Hände darauf ruhen. Diese Geste kannte Isabelle. Schon als Mädchen, wenn sie mit Vivien zusammen im Wohnzimmer der Trakenbergs gespielt hatte und Carl zufällig dabeigewesen war, hatte er das manchmal getan. Es bedeutete, daß er etwas zu sagen hatte. Etwas von Bedeutung. Eine längere Geschichte. Und so war es auch diesmal.
    Am Tage der Kapitulation hatten er und Charlotte sich «zur Feier des Tages», wie Carl erzählte, verlobt und ein paar Monate später, noch im Jahre 1945, geheiratet. Sein Vater, von dem er das Geschäft nach Kriegsende übernommen hatte, war strikt gegen diese Ehe gewesen, denn Charlotte kam aus sehr einfachen Verhältnissen, war finanziell schlecht gestellt, und die Vermutung lag nahe, daß der Grund zur Heirat ihrerseits nicht Liebe war, sondern Berechnung. Charlotte war in jenen Tagen noch nicht die gewandte, elegante Dame, sondern eine vitale, lebenslustige junge Frau. Die einen bezeichneten sie als unkonventionell, spritzig, kokett, frech. Für die anderen war sie eine starke Persönlichkeit, die den weichen Carl unterbutterte; eiskalt, berechnend, schlecht erzogen und geldgierig. Sie ging gerne aus, rauchte wie ein Schlot, trank wie ein Kerl, hatte, obwohl sie verheiratet war, Spaß daran, mit Männern zu flirten. Carl aber liebte Charlotte – die damals alle noch Lotte nannten, bis sie sich das verbat – über alles, verzieh ihr manches und hielt zu ihr, trotz aller Widerstände. Doch als es wieder bergauf ging, im Land und in der Firma, ging es bergab in der Ehe. Denn abgesehen davon, daß die beiden schon sehr schnell merkten, wie verschieden sie waren, wobei die Unterschiede sich nicht ergänzten, sondern störten, belastete sie ein großes Problem. Was niemand außer ihnen wußte und was niemand erfahren sollte: Carl konnte keine Kinder zeugen. Der Druck, der deshalb auf ihnen lastete, war enorm. Natürlich erwarteten Carls sehr konservative Eltern, daß Nachwuchs käme, natürlich sollte der Fortbestand der Familie, des

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