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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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Familienunternehmens und des Familienerbes gesichert sein. Und natürlich wurde es Lotte angelastet, daß sie nicht schwanger wurde. Dann passierte etwas, das für Carl eine Katastrophe war, ihn in eine tiefe Lebenskrise stürzte. Sie wurde schwanger.
    Es kam heraus, daß sie fremdgegangen war. «Sie trug das Kind von einem anderen unter dem Herzen, kannst du dir vorstellen, wie mir zumute war? Sie war zu allem Überfluß mit einem Kerl ins Bett gegangen, der eigentlich weit unter meiner – unserer – Würde war und den ich kannte: mit einem Arbeiter aus unserem Lager.»
    Isabelle konnte nicht fassen, was Carl ihr da erzählte. Nach all den Jahren hatte sie das Gefühl, die Menschen, mit denen sie so lange gleichsam unter einem Dach gewohnt hatte und die ihr so vertraut schienen, gar nicht richtig zu kennen. «Vivien ist nicht deine Tochter?» fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf.
    «O Gott! Jetzt verstehe ich deine ... die Art von dir ...»
    Er unterbrach sie und sagte in scharfem Ton: «Ich habe mich immer bemüht, es sie nicht merken zu lassen, und ich glaube ...»
    «Heißt das etwa: Sie weiß es gar nicht?»
    «Nein!»
    «Carl! Das kann ich nicht glauben! Ihr habt es ihr nie gesagt?»
    «Wir haben es niemandem gesagt.»
    «Das finde ich unmöglich! Sie ist doch kein Kind mehr, sie ist eine erwachsene Frau, sie muß doch die Wahrheit über ihre Biographie kennen! Carl, ich glaube, ich spinne.» Isabelle zündete sich nun doch eine Zigarette an. «Warum hast du dich nicht einfach scheiden lassen, als du es erfahren hast?»
    «Damals war alles anders, Belle. Wer so etwas und die Zeiten nicht selbst erlebt hat, kann das nicht verstehen ... ich liebte Charlotte schließlich. Außerdem wollte ich vor meinen Eltern, meinen Leuten, meinem ganzen Umfeld – wir waren eine hanseatische Kaufmannsfamilie, verstehst du ...?»
    «Toll!»
    «Ich wollte nicht zugeben, wahrscheinlich nicht einmal vor mir selbst, daß alles ein Irrtum war. Mein Vater sollte am Ende einfach nicht recht behalten. Das war es. Dann war Lotte auch sehr verzweifelt.» Er mußte lächeln. «Lotte. Das habe ich seit hundert Jahren nicht mehr gesagt! Sie hat mich angefleht, sie nicht fallenzulassen. Und am Ende: Was konnte das Kind dafür? Wir hatten auch keinen Ehevertrag, von der Art, wie man ihn heute schließt, nein, nein ... ich habe sie nicht verstoßen. Vielleicht war ich ein Trottel. Ich habe den Mann entlassen, ja, diese Rache habe ich mir gegönnt. Das war alles. Vivien kam zur Welt, sie war einfach unser Kind. Auch wenn ich es hier ...», er tippte sich aufs Herz, «hier nie richtig gefühlt habe. Leider. Ich glaube, ich leide noch heute darunter.»
    Sie strich ihm sanft über die Hand, die noch immer auf dem Kissen ruhte. «Und Vivien? Denkst du auch an ihre Gefühle? Ihr hättet es ihr trotzdem sagen müssen.»
    «Aber was hätte es ihr genützt? Daß sie erfährt, daß ihr Vater ein Lagerarbeiter war und ihre Mutter eine Schlampe? Charlotte hat sich dann auch sehr geändert, im Laufe der Jahre, sie hat sich vollkommen gewandelt, es scheint heute fast unglaublich, was seinerzeit passiert ist, wie sie mal war, niemand könnte es glauben.»
    «Das ist wohl wahr!» Isabelle mußte an ihre erste Begegnung mit der damenhaft strengen, kühl-eleganten Charlotte Trakenberg denken, vor der sie sich eigentlich immer ein wenig gefürchtet hatte. Wie seltsam. Was sich doch hinter Menschen für Schicksale verbargen – alles war Fassade, nichts stimmte. Wahrheit, Offenheit und Ehrlichkeit sind nun einmal das Wichtigste im Leben: Hatte ihr Vater ihr das nicht am Ende gesagt, ihr mit auf den Weg gegeben? Es stimmt nicht, dachte Isabelle, es stimmt einfach nicht.
    Carl fuhr fort: «Nicht einmal ich kann das heute noch glauben, so erfolgreich habe ich die Geschichte verdrängt. Es kommt mir vor, als wären wir– besonders Charlotte – andere Menschen gewesen. Ja und dann ... weil du fragst, warum hast du es Vivien nicht gesagt ... Es gab nie den richtigen Zeitpunkt. Und so blieb es unser Geheimnis. Fest verschlossen in uns.»
    «Warum sprichst du dann jetzt darüber?»
    Er wich ihrem Blick aus. «Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Denn dann kam ja Puppe. Sie hatte auch eine schreckliche Geschichte hinter sich, aber sie will nicht, daß man darüber redet. Vielleicht wird sie es dir eines Tages selbst erzählen. Kurz und gut: Wir trafen uns, Anfang der Fünfziger, als sie hier anfing mit ihrer Karriere, so wie du heute, ich verkaufte ihr Stoffe, und

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