Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
erklärte Isabelle und setzte sich. «Prost.»
«Auf morgen.»
«Auf morgen, ja!»
Sie tranken.
«Ich hab dir was mitgebracht.» Carl nahm das Päckchen und gab es ihr.
Hastig riß sie das Packpapier auf, legte ihre Zigarette im Aschenbecher ab. Zum Vorschein kam ein Gemälde im Renaissance-Rahmen, ein Holländer, wie Carl immer pauschal zu sagen pflegte. Zwölf Zentimeter hoch und sieben Zentimeter breit, von einem blassen goldgrünen Passepartout aus Samt eingefaßt und auf Holz gemalt, zeigte es eine Frau in rotblauem Gewand, die auf einem Hügel im Schatten von Bäumen saß und ihrem Kind die Brust gab. Über dem Haar der Mutter, das mit einem Band hochgesteckt war, schwebte ein Heiligenschein. Im Hintergrund lag, weit entfernt, ein Dorf, das von einem schäumenden Fluß umspült wurde. Ein Mann, millimetergroß getupft nur, überquerte eine Steinbrücke, die über das Wasser führte. Pieter Lastman 1608 stand auf einem Messingschild, das mit dünnen Stiften auf den Rahmen genagelt worden war.
Carl erklärte Isabelle, der Maler sei ein Lehrer Rembrandts gewesen und das Gemälde sehr wertvoll. Er habe es von einem befreundeten Kunsthändler in Köln erworben und wolle es ihr zum Geschenk machen, einen Tag vor dem denkwürdigen Ereignis. Sie betrachtete eine Weile beglückt das Bild und auch ein wenig irritiert. Warum schenkte er ihr etwas so Kostbares? Warum ausgerechnet dieses Motiv, die Darstellung Marias mit dem Jesuskind, die eher etwas für ihre Mutter als für sie gewesen wäre? Vorsichtig legte sie das Bild auf den schmiedeeisernen Balkontisch. Dann stand sie auf und umarmte Carl. «Ich weiß nicht, was ich sagen soll.»
Er antwortete nicht. Sie spürte, daß er seltsam steif war. Sie ließ ihn los, setzte sich wieder, beguckte das Gemälde noch einmal. «Du machst mir immer so viele Geschenke, ich weiß ja nie, wie ich mich revanchieren soll.»
Er schüttelte den Kopf, als wollte er sagen: Mach dir keine Gedanken deswegen.
«Nein, wirklich, Carl. Du übertreibst immer.»
«Soll ich's wieder mitnehmen?»
«Quatsch.»
«Ach, Mädel.» Er seufzte.
Isabelle merkte nicht gleich, daß er etwas auf dem Herzen hatte. Weil ihre Zigarette ausgegangen war, ging sie in die Küche, holte die Schachtel und die Flasche Wein, schenkte noch mal nach. Dann sprach sie über ihre Modenschau. Daß außer dem Ehepaar Trakenberg, den Ansaldis und Puppe Mandel auch Isabelles Mutter und Gretel kommen würden. Daß Jon und seine Frau abgesagt hätten, worüber sie sehr enttäuscht war. Daß sie zudem Lampenfieber habe. Daß Patrizia ein wahrer Segen für sie sei. Sie rauchte eine nach der anderen, und Carl hörte ihr zu, das eine oder andere Mal mit dem Kopf nickend, nachfragend oder bestätigend. Zwischendurch bekamen sie Streit. Carl fand, daß Isabelle das Geld mit vollen Händen hinauswerfe und ihre erste Modenschau viel zu aufwendig gestalte. Sie konterte, er habe doch selbst sein Leben lang aus dem vollen geschöpft.
«Das stimmt», sagte er. «Aber ich habe immer nur mein eigenes Geld ausgegeben, nie das der anderen.»
Einen Augenblick war Isabelle pikiert. So etwas haßte sie, es erinnerte sie an die Reaktionen ihrer Mutter. Sie wollte frei sein in ihren Entscheidungen und erwartete, daß Carl ihr vertraute. Das sagte sie ihm, und er lenkte ein. Man merkte: Carl konnte es nicht ertragen, wenn sie ihm böse war.
Schließlich war die Flasche Wein leer. Isabelle hatte eine zweite gekühlt und holte sie, zusammen mit dem Öffner. Während Carl sie entkorkte, machte Isabelle die Kutscherlampen an den Seitenwänden an. Sie tauchten den Balkon in ein warmes Licht. Es war kühl geworden, und Isabelle holte aus dem Schlafzimmer zwei Plaids, legte eines davon Carl über die Knie – er lächelte dankbar –, nahm wieder Platz und kuschelte sich in ihre Decke. «Ich sollte längst im Bett liegen!» erklärte sie. «Morgen bin ich fertig ! Aber es ist so gemütlich mit dir. Und wann haben wir schon mal Gelegenheit, so unter uns zu sein.»
«Ja.» Er senkte den Blick, nahm einen Schluck Wein, stellte das Glas zurück.
Isabelle sah ihn an. Er war wie immer sonnengebräunt. Mit den Falten, die er nach und nach bekommen hatte, sah er noch interessanter als früher aus. Sie hatte ihn von Herzen gern, stellte sie in diesem Moment fest – ja, auf meine Weise hab ich ihn lieb, dachte sie und fragte: «Hast du was auf dem Herzen?»
«Na ja ... wie soll ich sagen. Ach was. Nichts.»
«Carl! Hab ich das nicht von dir? ‹Was
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