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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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Modedesigner, nannten sie sich plötzlich alle «Modemacher». Im Gegensatz zu den Allüren, Attitüden und kreativen Ansprüchen, die oft hinter dem Gewerbe steckten, betonte diese Bezeichnung kokett und profan das Handwerkliche des Berufsstandes. Überall sprach man plötzlich von Deutschen Modemachern, den deutschen Modemachern, zu denen sich ständig neue Namen gesellten. Einige ragten besonders heraus – Jil Sander, Wolfgang Joop, Reimer Claussen, Caren Pfleger, Uta Raasch und ein halbes Dutzend andere, vor allem aber Belle Corthen. Den einen oder anderen ihrer Kollegen lernte sie kennen. Es waren seltsame Vögel.
    Sie kamen herangeschwirrt, hereingetobt, heraufstolziert, sie redeten unablässig, sie hauchten sich Küsse auf die Wangen, den Blick starr über die Schulter des anderen gerichtet. Ich sehe was, was du nicht siehst. Sie kreisten nur um sich selber, und sie hatten immer nur ein Thema – die Mode und die Menschen in der Mode. Sie waren Könige des guten Geschmacks und der üblen Nachrede, sie ließen niemanden gelten, der ihnen den Rücken zudrehte, und waren jedermanns Freund, der sich ihnen näherte. Sie warfen sich in die Fauteuils und machten mit schnellem Blick ihre Opfer aus. Sie fielen über sie her, zerrupften sie und amüsierten sich dabei. Unablässig waren sie auf der Suche nach neuem Futter, nach Ideen für ihre Kollektionen, nach neuen Trends. Sie kolportierten Geschichten über die Schwächen der anderen, um die eigene Position zu stärken. Über die Modeschöpferin, die sich nachts in einer Düsseldorfer Speditionshalle hatte einschließen lassen, um die dort gelagerten, brandneuen Kollektionsteile Giorgio Armanis abzuzeichnen und für ihre eigenen Entwürfe zu kopieren. Über den Münchner Kollegen, der nie ohne seinen Dackel reiste und das nervöse Tier abends im Hotelzimmer mit Valium so schläfrig machte, daß er unbesorgt ausgehen konnte. Über den Designer aus Berlin, der ein Verhältnis mit dem Mann seiner Tochter hatte. Es ging um nichts und ums Ganze.
    Ich könnte kotzen! dachte Isabelle oft bei sich, wenn sie gemeinsam mit ihren Kollegen zu Branchenereignissen gebeten war. Sie bekam richtige Krisen, wenn Einladungen auf ihren Tisch flatterten, Anfälle, wenn es dann soweit war und sie sich aufpumpen mußte mit gutem Aussehen und Charme und Witz. Ein, zwei, drei Pillen halfen ihr dabei. Aber der Streß wurde jedesmal unerträglicher.
    «Du mußt dich da sehen lassen!» befahl Patrizia, ihre Ratgeberin in allen Lebens- und Lügenlagen.
    Isabelle tat, was man ihr sagte, aber sie reduzierte die Zahl der Empfänge, Galas, Parties und Events, bei denen immer dieselben Leute auftauchten, auf ein Mindestmaß. Sie merkte sehr schnell, daß es vergeudete Zeit war, sich mit ihnen abzugeben, ihr Instinkt sagte ihr, es sei besser, sich nur auf sich selbst zu verlassen und von den Kollegen, mochten sie auch noch so witzig, erfolgreich und begehrt sein, fernzuhalten. Sie konzentrierte sich fortan lieber auf ihre Arbeit.
    Von den Veranstaltern der Modemessen, die zwischen Berlin, Düsseldorf und München zweimal jährlich stattfanden, um die neue Masche der «Deutschen Mode» zu fördern, wurde sie umschwärmt und umworben. Doch Isabelle zog es auch hier vor, sich aus dem ganzen Trubel rauszuhalten. Sie ging nicht auf die Messen, sondern blieb dabei, regelmäßig im Februar und Oktober ihre neuen Entwürfe in einer Schau im Atlantic-Hotel in Hamburg zu präsentieren.
    Die Firma wurde größer und größer, das Nachbarhaus dazugekauft, beide Gebäude mit einem modernen Mittelteil aus Glas und Stahl verbunden. Patrizia, die treue Seele, die noch immer ungebremst von morgens bis abends gegen den Streß annaschte, erhielt Prokura. Eine Pressereferentin wurde engagiert. Mittlerweile hatte Isabelle vierzig Mitarbeiter. Sie versuchte, aus dem Vertrag mit der Firma Trakenberg herauszukommen. Daß sie über nur vierzig Prozent ihrer Modefirma verfügte, wurmte sie. Während Carl seine Zustimmung geben wollte, war Peter Ansaldi strikt dagegen. Er schaffte es, seinen Schwiegervater davon zu überzeugen, wie idiotisch es wäre, diese «Gelddruckmaschine», wie er es nannte, aufzugeben. Isabelle merkte einmal mehr: Dieser Partner war kein Freund, er war ein Gegner. Lange überlegte sie, wie sie ihn ausschalten könnte, kam aber zu keiner Lösung.
    «Von nichts kommt nichts», hatte Gretel immer gesagt, und niemand erfuhr das in diesen Jahren so sehr am eigenen Leib wie Isabelle. Sie arbeitete Tag und

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