Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
wärst du doch noch immer eine ...», er zeigte mit dem Zeigefinger und Daumen der linken Hand, welche Größe er ihr zumaß, «so kleine Schneiderin. Du bist der Betthase von Carl. Und hast dir damit, bei uns in der Familie zum Beispiel, nicht nur Freunde gemacht. Das weißt du, und das weiß ich. Also laß uns Tacheles reden. Ohne ihn – und ohne meine Arbeit – wärst du nichts. Niemand. Alles bingobotscho?»
Isabelle stand auf. «Weißt du was? Das ist einfach keine Basis. So lasse ich mit mir nicht reden. Ich werde von meinen Anwälten prüfen lassen ...»
Er lachte auf. «Deine Anwälte? Was sollen die tun? Deine Anwälte sind erst mal meine Anwälte.»
Ungerührt sprach sie weiter, die Hände auf seinen Schreibtisch gestützt: «... wie ich hier rauskomme, aus dieser fruchtbaren Zusammenarbeit. Ich kann gut ohne dich. Aber ob du ohne mich kannst, werden wir sehen.»
So schnell war Peter Ansaldi nicht einzuschüchtern. «Wenn ich will, mache ich dich fertig. Du hast nicht nur deinen Körper verkauft, sondern auch deine Seele. Und vor allem: deinen Namen, deinen guten, auf den du dir so viel einbildest. Was glaubst du denn? Es ist nur ein Name ... die Jeans, die Taschen und Koffer, die Gürtel, die Brillen, die Wäsche ... von mir aus auch demnächst das Parfüm: Machen alles andere für dich, andere Designer, andere Firmen, Lizenznehmer, Konzerne. Du bist nur eine Schachfigur.» Er stand auf, hob den Stapel Zeitungen hoch. «Und was du in Paris geboten hast ... da müssen wir nur mal die drei kleinen jungen Designerinnen fragen, die bei dir an der Alster unterm Dach der Villa hocken, für dich entwerfen und sich von dir ausbeuten lassen! Das wissen wir doch beide, daß du ausgepowert bist, ausgelutscht, ohne all die andern, die für dich schuften, nichts bist. Null.»
Isabelle sagte nichts mehr, nahm ihre Aktentasche und verließ grußlos den Raum. Sie war so konsterniert, daß sie nicht einmal Frau Gehrmann, die ihr noch «Brauchen Sie ein Taxi?» nachrief, auf Wiedersehen sagte. Draußen ging sie ein paar Schritte auf dem Kopfsteinpflaster durch die Speicherstadt, winkte dann ein vorbeifahrendes Taxi heran und ließ sich nach Hause bringen.
In ihrem Penthouse angekommen, feuerte sie die Aktentasche in einen Sessel und rief sofort bei Puppe Mandel auf Sylt an. Tatsächlich war Carl bei ihr. Sie berichtete ihm, was geschehen war. Er versprach, mit Peter zu reden und sich wieder bei ihr zu melden. Erschöpft und verärgert setzte sie sich nach dem Telefonat auf das Sofa im Wohnzimmer und dachte nach.
Seit neuestem hatte sie eine Haushälterin, Elena, eine pummelige junge Frau Mitte Zwanzig, Tochter einer Deutschen und eines Amerikaners, die als Au-pair-Mädchen vor drei Jahren aus ihrer Geburtsstadt Chicago nach Hamburg gekommen war. Elena war eine zuverlässige, freundliche Person, der Isabelle ein kleines Zimmer mit Bad in ihrem Penthouse überlassen hatte und die sie Tag und Nacht versorgte. Jetzt drehte sich der Schlüssel im Schloß, und erstaunt trat Elena ein, vier schwere Einkaufstüten in den Händen. «Sie sind da?» fragte sie.
«Ja, und ich bleibe heute auch hier.»
«Ist was passiert?»
Isabelle schüttelte den Kopf und raffte sich auf. «Ich lege mich eine Stunde hin, und danach hätte ich gern einen Salat, irgendwas Kleines, ja?»
Elena nickte und verschwand in der Küche. Isabelle ging ins Schlafzimmer, legte sich aufs Bett und grübelte. Was war das für ein Gespräch gewesen? Was für ein Haß war ihr entgegengeschlagen? Es war schrecklich: Selbst im Moment größter Triumphe, selbst in Augenblicken, wo man sich in Sicherheit wähnte, auf der sonnigen Seite des Lebens, ging man doch wieder nur über Eisschollen. Eisschollen, die bersten konnten. Je größer die Erfolge und der Ruhm, desto mehr lauerte irgendwo Gefahr, die Gefahr, unterzugehen, zu ertrinken. Nie gab es Ruhe, nie konnte sie sich entspannen, nie durfte sie genießen. Immer Druck. Immer Kampf. Ständig Arbeit, unablässig Entscheidungen treffen, diskutieren, fighten. Sie mußte immer gut drauf sein, besser als die anderen, präsent, fröhlich, wach. Tag und Nacht im Büro, jede Woche im Flugzeug, heute Paris, morgen London, übermorgen Mailand. Ihr Kalender quoll über vor Terminen, eine Konferenz jagte die nächste, sie hetzte von einem Meeting ins andere, gab Interviews, mußte sich fotografieren lassen, Unterschriften leisten, Entwürfe machen, die Arbeiten ihrer Kodesignerinnen absegnen, an strapaziösen Essen
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