Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
war eine wunderbare Frau für dich.»
«Ja, das war sie.»
«Ich wäre jetzt so gern bei dir. Ich würde so gern etwas für dich tun. Kann ich dir irgendwie helfen? Was kann ich, ich meine ...»
Er unterbrach sie: «Du kannst nichts für mich tun. Ich muß da- mit allein fertig werden. Aber es ist sehr lieb von dir, daß du trotz all deiner Verpflichtungen an mich gedacht hast, angerufen hast, das weiß ich sehr zu schätzen.»
«Quatsch! Das ist ja wohl selbstverständlich.»
«Wann haben wir eigentlich zuletzt miteinander geredet, uns gesehen? Ich weiß es nicht mehr!»
«Ich fürchte, es ist schon ein paar Jährchen her.»
«Ja.»
Sie schwiegen einen Moment. Beide wußten nicht, was sie sagen sollten.
Die Verbindung war nicht besonders gut. Es rauschte in der Leitung.
«Vielleicht lasse ich dich jetzt lieber schlafen, Jon.»
«Du wirst auch müde sein. Das war bestimmt ein aufregender Tag.»
«Darf ich dich wieder anrufen?»
«Ach, Isabelle ...»
Seine Stimme klang, als würde er weinen. « Jon?»
«Ja?»
«Darf ich?»
«Ich kann's dir doch nicht verbieten.»
«Wäre es dir recht?»
«Ehrlich gesagt: Ich brauche im Moment viel Zeit für mich, Ruhe. Ich glaube, es ist besser, wenn wir ...» Jon schien den Ein-druck zu haben, sie riefe aus einer Laune heraus an, mehr ihret- als seinetwegen. Und vielleicht, wenn sie richtig in sich hineingehört hätte, hätte sie zugeben müssen, daß es auch so war.
«Verstehe», erklärte sie. «Dann machen wir es so: Wenn du willst, rufst du mich an, ja?»
«Gut.»
«Gute Nacht, trotz allem. Lieber Jon.»
«Danke. Für dich auch.»
Es knackte. Er hatte aufgelegt. Sie hielt den Hörer weiter in der Hand. Sie fühlte sich hundeelend. Seit langem war sie nicht mehr so einsam gewesen, und das nach so einem großen, wundervollen, reichen Tag. Sie legte den Hörer auf die Gabel zurück. «Was mache ich nur mit meinem Leben?» sagte sie zu sich selbst. «Warum bin ich nicht glücklich?»
Sie drehte sich zur Seite. Das Röhrchen mit Schlaftabletten. Sie kam hoch, setzte sich auf den Bettrand, goß sich ein Glas Wasser aus der Flasche, die auf dem Nachttisch stand, ein, schluckte zwei Rohypnol und legte sich wieder hin. Alles wurde bleischwer. Sie konnte gerade noch die Lampe ausknipsen.
Als Patrizia morgens um fünf, betrunken und zerzaust von dem Zusammensein mit dem italienischen Fotografen, zehenspitzenleise die Suite betrat, schlief Isabelle bereits. Tief und fest, wie ein glückliches Kind.
Kapitel 25
Man weiß nicht, ob es Zufälle gibt oder alles Bestimmung ist, ob eine höhere Macht, an deren Fäden wir alle hängen, uns Menschen zusammenführt oder wir selbst die entscheidenden Schritte unternehmen. Peter Ansaldi jedenfalls war der ausdrücklichen Meinung, er selbst – und nur er – habe sich dorthin gebracht, wo er heute saß. Als Chef, als geschäftsführender Gesellschafter der blühenden Trakenbergschen Firma, bestimmte er nicht nur sein eigenes Schicksal, sondern auch das des Unternehmens. Er war es gewesen, der dem immer müder werdenden Carl im richtigen Moment geraten hatte, zu expandieren und zu diversifizieren. Stoffhändler – ein paar Meter hiervon, ein paar Ballen davon –, das war etwas Altmodisches, das waren peanuts, damit war kein großer Deal mehr zu machen. Industrietextilien: Dort lag ein Markt der Zukunft. Import von Duftstoffen, die die halbe Welt brauchte, für aromatisierte Getränke und Lebensmittel, für Kosmetik, für Reinigungsmittel, damit ließ sich Kohle machen, mehr als genug. Aber wie sagte er immer? «Genug ist nie genug.» Und mit den Beteiligungen an anderen Firmen, allen voran der Corthen-Mode-GmbH, hatte er abermals den richtigen Riecher gehabt. Hätte er nicht gepowert, hätte er nicht geboxt, hätte er sich nicht durchgesetzt – das alteingesessene Importhaus Carl Trakenberg wäre noch immer die Klitsche, die es gewesen war, als er hier angefangen hatte, er, der Lehrling, der zum Millionär geworden war. Schicke Frau, einen Sohn inzwischen, der, ganz der Vater, wuchs und gedieh, ein schönes Haus am Rande der Stadt, Porsche und Mercedes vor der Tür, 'n paar Clubmitgliedschaften und eine Tüte Schwarzgeld in der Schweiz – alles da. «Immer schicken», pflegte er zu sagen, ob es um Aufträge ging oder um Geld.
«Wo bleibt sie denn wieder?» Ungeduldig ging er im Sekretariat auf und ab.
Frau Gehrmann, die noch immer an ihrem Platz saß, in dem Büro in der Speicherstadt, zuckte mit den Schultern. Isabelle
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