Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
das Holz und zündete sie mit einem langen Streichholz an. Im Nu brannte das Feuer.
«Apropos schwierig: Was machen wir?» Sie rieb sich den Schmutz von den Handflächen und setzte sich zu Patrizia.
«Wie: was machen wir?»
«Na ja, mit Peter Ansaldi, mit dem Parfüm, unserem Streit, unseren Zukunftsstrategien, du weißt schon.»
«Das kann ich dir sagen: Natürlich wird es ein Parfüm geben. Natürlich wirst du es mit Ansaldi machen, natürlich bleibt alles beim alten.»
«Ich möchte lieber heute als morgen da raus.»
«Ich habe mir die Verträge noch einmal angesehen. Erstens: Da kommst du nicht raus. Zweitens: Warum solltest du raus wollen?»
Isabelle stampfte wütend mit dem Fuß auf. «Ich will meine eigene Firma. Der Mann steht mir bis hier oben. Ich hasse ihn.» Sie seufzte. «Jetzt mit dem schon wieder neue Verträge machen. Der zieht mich doch übern Tisch, das weiß ich genau. Der ist eiskalt. Eines Tages bootet der mich noch aus.»
«Quatsch. Um dein Lieblingswort zu benutzen.»
«Er hat's mir ja selber angedroht.»
Patrizia sah sie streng an und hielt ihr eine Standpauke. Sie sprach davon, daß Isabelle immer mißtrauischer und schwieriger würde, immer schlechter gelaunt. Gerade jetzt, wo sie am wenigsten Grund hätte, unzufrieden zu sein. «Du hast schwache Nerven. Du brauchst Urlaub. Ruh dich mal aus, schalte ab.»
Für einen Augenblick kam es Isabelle in den Sinn, einfach abzuhauen, nach Luisendorf zu fahren, zu Jon, ein paar Tage bei ihm zu verbringen. Aber dann verwarf sie die spontane Idee. Sie hatte seit ihrem Anruf in Paris nicht mehr mit Jon geredet. Er hatte versprochen, sich zu melden. Bisher hatte er es nicht getan. Wahrscheinlich war er viel zu sehr mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt, als daß er Lust gehabt hätte, sich auch noch ihr zu widmen. Die Zeiten, wo sie auf ihn zählen konnte, waren längst vorbei. Und das war ihre Schuld, nicht seine.
«Also: Reiß dich zusammen», schimpfte Patrizia, «pack's an, zieh's durch.» Sie klatschte in die Hände. «Wo gibt's was zu essen?»
Und so wurde schon ein paar Wochen später die Maschinerie in Gang gesetzt. Alles lief perfekt, wie nicht anders zu erwarten. Es wurde die Entscheidung getroffen, zunächst ein Parfüm entwickeln zu lassen, das den Namen «Belle» tragen sollte. Das amerikanische Unternehmen wollte einen schweren, süßen Duft kreieren lassen, weil solche Düfte angeblich gerade im Trend lägen. Doch Isabelle setzte sich durch mit ihrem Wunsch nach einem herben, interessanten Parfüm, das Frauen ebenso mögen sollten wie Männer. Die Parfümeure präsentierten ihr verschiedene Kreationen. Doch sie war wählerisch, und erst nach dem zehnten Anlauf hatten sie eine Komposition gefunden, die ihren Gefallen fand. Es war eine Kombination aus Rose, Bergamotte, Pfeffer und Vetiver – frisch im ersten Moment, doch voller Tiefe und Charakter und mit einem langanhaltenden Haftvermögen, wie es die Fachleute formulierten. Ein Verpackungsdesigner aus Hamburg entwarf, nachdem er sich ausführlich mit Isabelle beraten hatte, einen Glasflakon in der Form eines Handschmeichlers; eine bauchige weiße Flasche, deren Verschluß die Form einer tiefroten Seerose hatte.
Kein Jahr später wurde «Belle» am Rande der Mailänder Modenschauen (zu denen Isabelle nicht die Erlaubnis erhielt, ihre Kollektion zu präsentieren) bei einem Abendessen der internationalen Presse präsentiert und sofort ein Renner auf dem Markt. Wenig später folgten Body Lotion und Seife, später eine Pflegeserie und im darauffolgenden Jahr eine Herrenserie unter dem Namen «Corthen», die sich ebenfalls blendend verkaufte.
Nachdem Carl, erfreut über diesen, wie er sagte, «neuen Dukatenschieter», in gemeinsamen Gesprächen sowohl seinem Schwiegersohn als auch Isabelle ins Gewissen geredet hatte, jovial und diplomatisch («Mensch, Kinder, macht euch das Leben nicht so schwer! Ihr habt doch den lieben Gott in der Tasche. Und mich auch!»), arrangierten sich die beiden. Sie machte gute Miene. Er verdiente gut. Beide hätten zufrieden sein müssen. Doch dann passierte ein Unglück.
Kapitel 26
Ein Jahr lang ging alles gut. Isabelle machte ihre Arbeit und mied Peter Ansaldi wie der Teufel das Weihwasser. Das Unternehmen expandierte derart, daß sie immer mehr zur Managerin wurde und immer weniger kreativ arbeiten konnte. Eine Riege junger, begabter Designerinnen und Designer stand ihr bei den mittlerweile auf ein halbes Dutzend angewachsenen Kollektionen zur
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