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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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doch beim Essen, was?»
    «Das ist Luisendorfer Leberwurst, die schickt uns die Tochter vom alten Voss immer.»
    «Ist doch wie früher, hmm? Unser hoher Besuch. Kriegt endlich was auf die Rippen.»
    «Meine Tochter. Kind. Isabelle.»
    Auf einmal tauchten fast vergessene Erinnerungen wieder auf, das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, das sie in dem Leben, das sie jetzt führte, schon längst nicht mehr spürte. Sie fing an zu erzählen. Von dem Streß der letzten Monate, ihren Reisen, von den Problemen mit der neuen Kollektion, dem Ärger mit Peter Ansaldi, dem Schock über Carls Schlaganfall, von ihrer festen Absicht, sich nichts gefallen zu lassen und zu kämpfen, um den Erhalt ihres Lebenswerks. Sie wirkte dabei energisch und kraftvoll wie schon lange nicht mehr.
    «Daß unsere Deern begabt ist, wußte ich!» Gretel strich sich über die Schürze und goß sich aus einer Karaffe ein Glas Apfelsaft ein. «Aber daß sie auch so hartnäckig ist ...» Sie trank und schluckte den Rest des Satzes mit hinunter.
    «Ich werde eben immer verkannt», erklärte Isabelle fröhlich. «Es ist alles ein Kampf. Man darf nie aufgeben. Man kann hinfallen. Aber das Geheimnis des Erfolgs besteht darin, daß man danach wieder aufsteht.» Sie trank einen letzten Schluck des köstlich warmen Kakaos, der ihr guttat und sie stärkte, und schmeckte ihren Gedanken nach. Sie gefielen ihr. «Und dann sage ich mir, wenn solche Sachen wie mit dem Ansaldi passieren ...»
    «Dieser Hund!» warf Gretel ein. «Den mochte ich nie! Will noch Kapital schlagen aus unserem Unglück.»
    Isabelle setzte ihren Satz fort: «... man ist erst völlig sicher, wenn man drei Meter unter der Erde liegt.» Sie spürte, daß diese Äußerung in Gegenwart zweier Frauen in den Siebzigern etwas mißverständlich klingen konnte, und fügte hinzu: «Damit meine ich, er soll nicht denken, daß ich klein beigebe. Noch lebe ich nämlich. Und wie!» Sie schlug mit den Händen auf den Holztisch.
    Ida, die sich wie alle Menschen, die früh alt aussehen, im Alter kaum verändert hatte, sah ihre Tochter von der Seite an. «Woher hast du nur all diese Weisheit und diese Stärke?»
    Sie blickte ihrer Mutter in die Augen. Ein Gefühl von Wärme und Leidenschaft stieg in ihr hoch. Sie umfaßte das strenge Gesicht Idas mit den Händen, zog es zu sich heran und küßte sie knallend auf den Mund. Das hatte sie noch nie getan. Ida war erstaunt.
    «Von dir!» antwortete Isabelle strahlend. «Von dir, Mama.»

Kapitel 28
    Eilig ging Isabelle durch das gläserne Treppenhaus, das die alte Villa mit dem daneben liegenden Haus verband. Per Handy telefonierte sie mit Fernando Marongiu. Italienisch beherrschte Isabelle inzwischen nahezu perfekt; Ergebnis des Privatunterrichts, den sie lange Zeit genommen hatte, und ihrer häufigen Italien-Aufenthalte. Mit Fernando, der so etwas wie ein Freund geworden war, verständigte sie sich trotzdem in einem bunten Kauderwelsch aus Deutsch, Englisch und Italienisch. Das war eine Art privaten Spiels zwischen beiden, denn auch Fernando hatte dazugelernt und sprach Deutsch.
    «You know, Bello, it's wichtig. Molto importante, eh ...? Si ... I'll give you a call tomorrow, weil ich jetzt auf dem Weg zu einem meeting bin, wegen der linea nuova ...»
    Hinter ihr versuchten Patrizia und zwei Assistentinnen, mit ihr Schritt zu halten. Dann beendete sie das Telefonat abrupt, denn sie hatten den Raum betreten, in dem ihr die Musterteile von den Schneiderinnen vorgelegt werden sollten. Er war groß und hell, Sonnenlicht fiel durch die Fenster herein, auf die Ständer mit den Kleidungsstücken, den Konferenztisch aus Birkenholz, die Freischwinger aus Leder und Chrom.
    «Patrizia, du sollst ihn heute nachmittag anrufen, er will alle Zahlen noch einmal mit dir durchgehen, und du sollst die Spedition in Mailand anrufen, du kennst die besser, sagt er.»
    «Okay.» Patrizia stopfte den Rest eines Stücks Butterkuchen in den Mund und wischte sich die Staubzuckerreste von dem mit falschem Tigerfell besetzten Revers ihres Kostüms.
    «Guten Morgen!»
    «Guten Morgen, Frau Corthen!» antworteten die drei Schneiderinnen im Chor.
    Das Handy klingelte. Isabelle drückte den On-Knopf: «Ja?»
    Patrizia und die Assistentinnen setzten sich an den Tisch. Die Schneiderinnen schoben den ersten Kleiderständer heran. Isabelle ging ans Fenster und hörte dem Anrufer zu.
    «Ich bin in einer Sitzung», schnauzte sie, «... natürlich können Sie das nicht wissen, aber ich hatte Ihnen

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