Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
für die Gesellschaft, in der sie leben ... lebten ... Das ist ja kein Leben mehr, das der arme Kerl da drinnen ...»
«Er kann doch wieder gesund werden, oder?» fragte Isabelle zaghaft.
Puppe sah zur Decke, dann zu Boden. Der Blick sagte alles.
«Ich kenne die besten Ärzte. Wir können die Mayo-Klinik anrufen, drüben, ich habe selber ...»
«Er hat die besten Ärzte.»
«Armer Carl.»
«Das mit Charlotte ist sicher auch seine Schuld. Er hätte sich irgendwann, schon vor Jahren, verstehst du, nach all dem Razzledazzle hier ... von ihr trennen müssen. Das wäre eine ehrliche Lösung gewesen. Ich habe es ihm oft genug gesagt, aber er wollte nicht. Dann hat sie mich angerufen, einfach so, und gesagt: Du wolltest ihn doch immer. Du kannst ihn jetzt haben. Ja, habe ich nur geantwortet, gut. Dann komme ich. Seitdem wohne ich hier. So einfach ist die Geschichte.»
«Kann ich irgendwas tun?»
«Ich glaube nicht. Ist lieb, Belle.» Sie kam zu ihr und strich ihr zart über den Ärmel. «Gut zu wissen, daß es dich gibt.»
Dann sprachen sie noch eine Weile über die Firma. Isabelle erzählte ihr von Peter Ansaldis Vorhaben. «Den Kampf nehme ich auf!» erklärte sie. «Anteile hin oder her. Ich finde allerdings, so weit hätte es nicht kommen dürfen. Ich verstehe nicht, daß Carl und Sie ...», sie schaute Puppe an, «mir nicht gesagt haben, daß Sie Ihre Anteile verkaufen. Es ist meine Firma. Und ich bin Geschäftsführerin, ich hätte gern Ihre zehn Prozent zurückgekauft. Zu einem guten Preis.»
«Er hatte ein schlechtes Gewissen gegenüber Vivien. Er hat dich immer vorgezogen, du warst sein Liebling. Das haben alle gewußt. Er wollte etwas wiedergutmachen ... vielleicht hat er sich nicht getraut. Männer sind feige.»
«Trotzdem. Ich fühle mich übergangen.»
«Ja. Das verstehe ich.» Puppe streckte die Arme aus, als wollte sie die ganze Welt beschreiben. «Aber Menschen machen eben Fehler. Tut mir leid. Wenn ich irgendwas machen kann, gib mir Bescheid.»
«Danke. Dann gehe ich jetzt mal zu Gretel.»
«Die treue Seele.»
Sie verabschiedeten sich voneinander, entschlossen, den Kontakt nicht wieder abreißen zu lassen und sich gegenseitig über alles zu informieren, was künftig geschehen würde, die guten und die schlechten Dinge. Isabelle wünschte Puppe Mandel Glück, ging kurz in den Salon, um Carl auf Wiedersehen zu sagen, und dann in die Küche. Auf dem Weg dorthin blieb sie eine Sekunde stehen, fummelte in der Tasche ihrer Jacke und förderte eine der kleinen roten Tabletten zutage, die ihr stets halfen, wenn sie deprimiert war. Sie schluckte sie ohne Wasser herunter, darin war sie geübt.
Es war ein seltsames Gefühl, wieder durch den Kellerflur zu laufen, der so lange Zeit ein Teil ihres Lebens gewesen war, den typischen Geruch einzuatmen und dann in Gretels Reich zu stehen, das einst so lebendig, so geheimnisvoll und beglückend gewesen war. Am Tisch saßen Gretel und Ida und spielten Karten. Die Küche war so aufgeräumt, wie sie es früher nie gewesen war, nichts stand herum, keine Kanne mit Kaffee auf dem Herd, keine Schale mit Obst auf der Anrichte, kein Braten brutzelte im Ofen, keine Suppe blubberte auf der Kochplatte.
Isabelle ging zur ihrer Mutter und begrüßte sie. Gretel legte die Karten beiseite. «Ich hab eigentlich gar nichts Rechtes im Haus», erklärte sie und öffnete den Kühlschrank, «wir haben ja nicht mit dir gerechnet.»
«Ach, ich möchte auch gar nichts.»
«Du bist schmal geworden!» stellte ihre Mutter fest.
«Na ja, kein Wunder, sie arbeitet ja auch wie ein Pferd!» meinte Gretel. «Ich koche dir eine Tasse Kakao und schmiere dir ein Brot, was hältst du davon?»
Isabelle hatte tatsächlich keinen Hunger und wiederholte das auch noch einmal. Aber sie hatte nicht mit der Hartnäckigkeit der zwei alten Damen gerechnet. In Windeseile wurde Milch aufgesetzt, der Tisch gedeckt, Gretel legte sich einen halben Laib Bauernbrot vor die Brust und schnitt in einer lebensgefährlich aussehenden Aktion mit einem Messer einen Kanten ab, den sie dick mit Butter und Leberwurst bestrich. Ida holte aus der Speisekammer ein Glas mit selbsteingelegten Dillgurken und legte eine davon auf den Teller, während Gretel den Kakao kochte. Mit ihrer Energie überrumpelten sie die völlig erschöpfte Isabelle, und ehe sie sich's versah, saß sie wie in Kindertagen am Tisch und aß. Jeder Bissen und jeder Schluck wurden liebevoll beobachtet und deftig kommentiert.
«Na, der Appetit kommt
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