Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
rechts in der ersten – und wußte, so, wie sie es ihr Leben lang immer gewußt hatte: Da sitzt der Feind. Das war der Mensch, der bis zum Ende mitgehen würde. Das war einer jener Händler, die im Auftrage boten, im Auftrage reicher Sammler, denen nichts zu teuer war. Doch Isabelle war in diesem Moment, auch dank der richtigen Tablettendosierung, wieder in ihrer alten Form. Sie wollte diesen Monet um jeden Preis.
Sie ließ die Auktionatorin den Hammer zum erstenmal heruntersausen, sie ließ den Mann sich für einen Sekundenbruchteil in Sicherheit wähnen. Dann hob sie die Hand. Sie merkte, daß er sie ansah. Sie spürte, daß der Kampf jetzt begann. Die Auktionatorin strahlte. «Zehn Millionen einhunderttausend», sagte sie.
Die Anzeigetafeln oberhalb der Pulte ratterten. Zehn Millionen einhunderttausend, umgerechnet in Yen und Mark und Pfund und Lire und Franken. Am Telefon wurde nicht mehr mitgeboten. Bei elf Millionen schien es, als würden die Menschen im Saal alle gemeinsam die Luft anhalten. Bei elfeinhalb Millionen gab sich Isabelle erneut scheinbar geschlagen, bei zwölf Millionen hob der Händler zum letztenmal die Hand – bei zwölf Millionen einhunderttausend knallte der Hammer dreimal kurz und trocken auf das Pult; und die Leute klatschten. Isabelle, die immer den Erfolg gesucht und ihn doch gefürchtet hatte, wenn er sich dann einstellte, stand erschrocken auf und verließ schnell den Saal. Als ein Reporter auf sie zukam, floh sie, konnte jedoch nicht verhindern, daß der Fotograf einer Presseagentur ein Foto von ihr schoß.
In Erinnerung an diese Episode strich sie sich mit den Händen die Haare nach hinten, als könnte sie das Geschehene aus ihrem Kopf verbannen. Sie knipste die Nachttischlampe an und sah auf den silbernen Reisewecker, den Carl ihr geschenkt hatte. Es war erst halb vier am Nachmittag. Die Teerosen in der Kristallvase wirkten blaß und müde im Schein der Lampe, fast verblüht. Sie schienen Isabelle wie ein Symbol ihrer selbst. Blaß, dachte sie, müde, fast verblüht ...
Es klopfte. Zaghaft trat Elena ein, schloß die Tür hinter sich, mit Bedacht, als müßte sie die Außenwelt vor Isabelle verschlossen halten. «Miss Corthen ...», begann sie.
Isabelle haßte es, gestört zu werden. Sie sah Elena unwirsch an. «Was ist denn schon wieder?»
«Ich würde Sie ja nicht stören, wenn nicht ...»
«Was?»
«Ich weiß ja, daß Sie sich ausruhen müssen.»
«Um Himmels willen. Seien Sie doch nicht immer so zaghaft, Elena. So umständlich. Was wollen Sie?»
«Sie haben Besuch.»
«Besuch? Ich erwarte niemanden.»
«Der Concierge hat schon zweimal angerufen, ich habe ihm gesagt, Sie wünschten niemanden zu sehen, aber nun ist der Herr doch nach oben gebracht worden, er sagt, sie kennten sich. Gut, sagt er.» Sie kam ein paar Schritte auf das Bett zu.
Isabelle wurde aggressiv. «Ich weiß nicht, warum dieses Haus einen Doorman hat und einen Concierge und Sicherheitspersonal und warum ich eine Haushälterin habe, wenn ... ach ...» Sie winkte ab. «Ich will niemanden sehen. Ganz gleich wen.»
Elena ging zur Tür zurück.
«Sie haben ihn doch wohl nicht in die Wohnung gelassen, oder?»
Ehe Elena antworten konnte, klopfte es erneut. Und bevor eine der Frauen etwas sagte, ging die Tür auf. Isabelle schlug das Herz so heftig, daß sie errötete und ihr Blut wie wild in den Schläfen pochte. Im grellen Licht des Flures, das durch die weit geöffnete Tür in das Schlafzimmer flutete, stand Jon. Groß, breit und schlank, seine Haare waren grau geworden, er hatte tiefe Falten im Gesicht, aber sie erkannte ihn sofort, er war immer noch derselbe große Junge.
«Dies ist ein Überfall!» sagte er und kam an Isabelles Bett. «Isabelle!» Er streckte die Hände aus, blieb vor ihrem Bett stehen. «Und sag jetzt nicht ‹o Gott, wie ich aussehe, Jon›. Du siehst wundervoll aus, und mir ist auch vollkommen egal, ob du im Bett liegst oder nicht, ich mußte dich sehen.»
Wortlos ergriff sie seine Hände. Sie waren kalt. Er setzte sich auf den Rand des Bettes. Elena verließ, wie immer leise, den Raum und schloß die Tür hinter sich.
«Ist es kalt draußen?» fragte sie.
«Wann warst du denn das letzte Mal draußen?»
Sie zuckte unmerklich mit den Schultern.
«Wir haben Juni, Isabelle. Es ist warm. In New York ist Sommer! Laß die Sonne rein.» Er beugte sich vor, küßte sie erst auf die linke und dann auf die rechte Wange. «Ich habe kalte Hände, weil ich so aufgeregt bin!»
Weitere Kostenlose Bücher