Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
zurück zum Hampshire House.
Die Wohnung wirkte so leer wie in jenen Tagen, bevor Jon gekommen war. Doch Isabelle hatte sich vorgenommen, sich nicht der Traurigkeit hinzugeben, sich nicht gehenzulassen, im Gegenteil, sie wollte optimistisch und voller Vorfreude damit beginnen, ihren Abschied von New York vorzubereiten, alle Pläne in die Tat umzusetzen. Es war ein Gefühl, als würde sie eine neue Kollektion entwerfen. Die Lebensgeister sprangen hoch, kicherten, tobten.
Als erstes rief sie ihren Anwalt an und machte für den nächsten Tag einen Termin bei ihm. Anschließend versuchte sie – vergeblich – den Manager des Hampshire House zu erreichen. Sie bat um Rückruf. Dann schrieb sie einen langen, fröhlichen Brief an Patrizia. Anrufen wollte sie ihre alte Freundin nicht, denn sie hatte sich lange nicht mehr bei ihr gemeldet. Vom Modeimperium Belle Corthen wollte sie nichts hören, keine neuen Dramen, Geschichten, Spekulationen. Das lag alles hinter ihr. Vor ihr lag ein neues Leben. Es würde wunderbar werden.
Elena bereitete ihr einen kleinen Mittagsimbiß zu, den Isabelle in der Küche einnahm. Danach zog sie sich um, schminkte sich, schnappte in der Diele ihre Handtasche, ging in das Kaufhaus Henry Bendell in der Fifth Avenue und kaufte Kosmetik und Mitbringsel für Deutschland. Eine dreireihige Glaskette für ihre Mutter, eine Brosche für Gretel Burmönken, für Puppe Mandel mexikanischen Silberschmuck, für Carl eine große Flasche Rasierwasser, für Patrizia ein Chiffontuch mit Tigerdruck. Sie war nicht traurig, daß Jon weg war, sie freute sich auf das Wiedersehen. Als sie auf dem Rückweg bei dem Juwelier Harry Winston im Schaufenster rotgoldene Manschettenknöpfe mit Rubinen sah, ging sie spontan hinein und kaufte sie für Jon. Verlobungsgeschenk, dachte sie und mußte lächeln.
Abends gab sie Elena frei, nahm ein ausgiebiges Bad, legte sich früh ins Bett und las Winnie-the-Pooh zu Ende. Müde sank sie in den Schlaf. Am nächsten Morgen erwachte sie erfrischt und voller Tatendrang. Sie duschte, wählte mit Bedacht ihre Garderobe für den Anwaltstermin aus – ein schlichtes ärmelloses mauvefarbenes Leinenkleid, dazu Tennisschuhe in derselben Farbe und eine Ferragamo -Handtasche aus Bast –, trank im Stehen einen Tee und aß eines der Croissants, die Elena frühmorgens zusammen mit der New York Times gekauft hatte. Dabei überlegte sie, was sie den Tag über noch zu tun hatte.
Sie ging ins Arbeitszimmer, setzte sich an ihr Rollbureau, nahm den Hörer ab und wählte Jons Nummer. Inzwischen mußte er zu Hause sein. Sie mußte seine Stimme hören! Jon! Ich bin so glücklich!
Doch drüben, in der Arztpraxis in Luisendorf, lief nur der Anrufbeantworter. «Ich bin's, Belle, ruf mich an, ich hoffe, du bist gut gelandet und hattest einen guten Flug. Ich gehe jetzt zu meinem Anwalt, du kannst mich um ...», sie sah auf ihre Armbanduhr, «... in, ich sage mal, drei Stunden erreichen. Dann bin ich zurück. Sonst melde ich mich noch mal. Ich liebe dich!» Sie legte auf.
Elena kam herein. Sie hatte eine Vase mit Rosen in den Händen und plazierte sie auf einem Schränkchen in der Ecke.
«Ich bin dann weg, Elena.»
«Sind Sie zum Mittagessen zurück?»
«Ich esse vielleicht im Le Cirque, weiß noch nicht. Sie brauchen nichts vorzubereiten oder auf mich zu warten.»
«Ich hatte an Tomaten mit Mozzarella gedacht, Miss Corthen.» «Das kann ich ja auch heute abend essen. Heute abend bin ich bestimmt zu Hause.»
«Gut, Miss Corthen.»
«Also dann, bis später. See you.»
«Bye, Miss Corthen!»
Nie war New York schöner gewesen, freundlicher, fröhlicher, der Concierge strahlte, als er Isabelle sah, der Doorman plauderte heiter mit ihr, der Taxifahrer, der sie zu ihrem Anwalt fuhr, dessen Kanzlei in der Nähe des Metropolitan Museum lag, sang auf der Fahrt. Selbst Isabelles Anwalt, ein meist geschäftsmäßig parlierender Yuppie mit Bodybuilder-Körper in Nadelstreifen, unterhielt sich mit seiner Mandantin über Gott und die Welt. Das Gespräch dauerte eine ganze Zeit, und sie gingen anschließend noch gemeinsam auf der Terrasse eines Hotels gegenüber dem Museum Mittag essen. Am frühen Nachmittag unternahm Isabelle einen Spaziergang durch den Central Park, blieb eine Weile auf einer Parkbank sitzen und sonnte sich. Es sah gut aus: Der Anwalt hatte ihr versprochen, alles innerhalb kürzester Zeit zu regeln. In spätestens vier Wochen würde sie umziehen können.
Wieder in ihrer Wohnung angekommen,
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