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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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Behaglichkeit breitete sich aus, wenn es nachmittags ganz ruhig im Haus war, man nur das Kratzen des Füllfederhalters auf dem Büttenpapier hören konnte und sich draußen der Winternebel über den Garten legte.
    Manchmal war Isabelle dabei. Charlotte hatte sich, wenn auch widerwillig, bei ihr entschuldigt. Isabelle war unwohl dabei, sie konnte Charlottes Abneigung förmlich spüren. Doch als Vivien sich dann bei ihr «für die Rettung» bedankte und ihr einen ihrer schönsten Winterpullover schenkte, waren sie wieder versöhnt.
    Schließlich machte Carl sein Versprechen wahr. Er lud Isabelle zum Mittagessen ein, an einem Tag, an dem sie schon früh Schulschluß hatte. Ida Corthen war das nicht recht und nicht geheuer. Trotzdem staffierte sie ihre Tochter hübsch aus und gab ihr ein paar Verhaltensmaßregeln mit auf den Weg: «Rede nicht soviel. Das interessiert Herrn Trakenberg nicht, auch wenn er so tut. Laß dich nicht ausfragen. Das geht die Leute nichts an, was mit uns ist und was nicht. Sei bescheiden, warte ab, was er ißt, und bedanke dich anständig. Der Mann hat anderes zu tun, als mit Leuten wie uns essen zu gehen.»
    Die Maikäferohrringe, die ihre Mutter ihr aufgeschwatzt hatte, nahm Isabelle schon auf dem Weg zur Schule ab, dafür war sie nun wirklich zu alt. Die Kopfbedeckung und den häßlichen Schal stopfte sie in ihre Tasche, als sie um zwölf vor der Schule in Altona auf Carl wartete, im Schutze des Portals, denn es war ein trüber, ungemütlicher Tag.
    Carl war auf die Minute pünktlich. Sie fuhren mit seinem Mercedes in die Stadt, auf den Gänsemarkt. Isabelle war zum erstenmal hier und fasziniert. Alte Häuser mit Fassaden aus Fachwerk, Stuck und Backstein umrahmten den Platz. Menschen, grau und blau gekleidet, mit Mienen, die noch düsterer schienen als das Wetter, hetzten, rannten, schoben sich und wuselten über das Kopfsteinpflaster. Feuerwehrrote Straßenbahnen legten sich, scharf bimmelnd und in den Schienen laut kreischend, in die Kurven, polterten heran, hielten an den Haltestellen und fuhren wieder davon. Carl parkte das Auto direkt vor seinem Stammlokal, dem Restaurant Ehmke. Nachdem Isabelle ausgestiegen war, blickte sie an dem Eckgebäude hoch. Es hatte drei Stockwerke und ein Dach mit Schindeln. Vor den Fenstern der beiden oberen Etagen hingen Blumenkästen, die zu dieser Jahreszeit mit Tannenzweigen abgedeckt waren. Kelchförmige Laternen an geschwungenen schwarzen Eisenhaken beleuchteten die Fassade. In großen Buchstaben stand draußen dran, was es drinnen gab: Austern, Hummer, Kaviar. Von allem hatte Isabelle schon gehört, gegessen hatte sie es noch nie.
    Sie betraten das Restaurant. Alle Tische – bis auf einen am Fenster – waren besetzt. Stimmengemurmel, Besteckklappern, Klingen von Gläsern. «Zum Wohl!» sagten hanseatische Herren und tranken auf gute Geschäfte. Ein Weinkorken wehrte sich quietschend dagegen, aus der Flasche gezogen zu werden. Gemächlichen Schrittes servierten Kellner das Essen. Die Wand- und Deckentäfelungen aus dunkel gewordenem Holz, die Stores an den Fenstern und die Teppiche unter den Füßen schienen sämtliche Geräusche zu dämpfen. Bilder, Wandleuchten, ein Kachelofen und die biederen Vasen mit den ersten Tulpen dieses Jahres erinnerten Isabelle an zu Hause, an ihre alte Wohnstube in Luisendorf.
    Carl und sein kleiner Gast hatten einen Augenblick am Eingang gewartet, als der Oberkellner zu ihnen kam. Jovial begrüßte er Carl und half ihm aus dem Kamelhaarmantel.
    «So. Und das Fräulein Tochter ...»
    Carl lachte: «Ja, genau!»
    Isabelle knöpfte ihren Mantel auf, der Oberkellner half ihr heraus und reichte die Kleidungsstücke wortlos an ein herantrippelndes Buffetfräulein in schwarzem Kleid und weißer Schürze weiter. Dann geleitete er die Gäste an den Fenstertisch.
    «Bin sofort da mit den Karten, Herr Trakenberg!» Er entfernte sich mit einer angedeuteten Verbeugung.
    «Herr Ober!» rief ein Herr eine Spur zu laut.
    «Manchmal muß man schwindeln!» erklärte Carl verschwörerisch und entfaltete die gestärkte Serviette, indem er sie an einer Spitze anfaßte, weit von sich hielt und durch die Luft schlug. Isabelle fand, es klinge wie ein Stück Bettwäsche, das, bereits trocken, noch auf der Leine im Wind flatterte. «Geht den ja nichts an, was wir miteinander zu tun haben und warum wir hier sind, was?»
    Isabelle lächelte verlegen.
    Nachdem der Oberkellner die Speisekarten gebracht und die Bestellung entgegengenommen hatte (Carl

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