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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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machte es Isabelle einfach, er fragte sie, was sie gerne aß, und wählte dann für sie aus), servierte er eine halbe Flasche Chablis (Carl trank am liebsten Chablis) und für Isabelle ein Glas Apfelsaftschorle.
    Zum Essen hatte Carl für Isabelle eine Hummersuppe ausgesucht.
    «Hast du schon mal Hummer gegessen?»
    «Nein.»
    «Aha. Dann ist Suppe ein guter Anfang.»
    «Eine Hummersuppe für das Fräulein Tochter», hatte daraufhin der Oberkellner notiert. Carl hatte Isabelle angeguckt, und sie mußten lachen.
    Er selbst schlürfte ein halbes Dutzend bretonischer Austern. Lächelnd hielt er ihr eine hin. «Probieren?»
    Isabelle schüttelte entsetzt den Kopf.
    «Da kommst du auch noch drauf!» Mit einer zweizinkigen Gabel löste er das Fleisch aus der Schale, hob sie an die Lippen, neigte den Kopf etwas zurück, schloß die Augen, öffnete den Mund und ließ die Auster hineingleiten. Isabelle hörte auf, die Suppe zu löffeln, die ihr wunderbar schmeckte, und beobachtete ihn genau.
    «Ah!» sagte er genießerisch. «Herrlich. Herrlich! Nur in den Monaten mit r.» Er zählte an seinen Fingern ab. «September, Oktober, November, Dezember ...»
    «Januar ...»
    «Genau!» Er butterte sich ein Stückchen Pumpernickel, aß es und spülte mit einem Schluck Wein nach. «Weißt du was? Wir bestellen noch so eine halbe Flasche. Und dann ...», er nahm ihr Glas und stellte es beiseite, «läßt du das mal stehen und trinkst mit mir. Wie alt bist du? Dreizehn? Da hatte ich schon meinen ersten Schwips.»
    Isabelle bekam ein Glas Wein und trank es mit so großem Genuß, daß Carl ihr nachschenken ließ. Sie fühlte sich plötzlich nicht mehr gehemmt, sondern wohl. Er erzählte ihr offen aus seinem Leben, erklärte ihr vieles, was sie bis dahin nicht gewußt hatte, er brachte sie zum Lachen und Staunen, er lobte ihren Mut und dankte ihr noch einmal, daß sie seine Tochter gerettet hatte.
    Zum Hauptgang brachte der Oberkellner, assistiert von einem Küchenjungen, für Isabelle eine frisch gebratene Seezunge, die er vor ihren Augen filetierte und mit Kartoffeln, Buttersauce und einem grünen Salat in Rahm servierte. Carl aß ein Beefsteak, für das dies Restaurant gerühmt wurde, mit Bratkartoffeln und Gemüse.
    Der Oberkellner fragte: «Ist alles recht so, Herr Direktor?» Er war ein Ober alter Schule, sprach seine Gäste stets mit Namen an und hatte für jeden einen Titel parat: Jeder Kaufmann – und es gab in dieser Stadt viele von ihnen – war ein Direktor, es gab den Herrn Bankdirektor, den Herrn Doktor und den Herrn Professor, den Herrn Senator, den Herrn Rat, und es verfehlte seine Wirkung niemals, obwohl man sich in Hamburg viel darauf einbildete, nichts auf Titel zu geben.
    «Wunderbar! Perfekt! Wie immer!» antwortete Carl mit glänzenden Augen und fettigen Lippen und zählte Isabelle auf, wer hier schon alles gegessen hatte: «Die Bürgermeister, Ballin, Krupp ...»
    «Der Kaiser!» ergänzte der Oberkellner höflich.
    «Ja, der Kaiser auch. Was wären wir ohne das Ehmke, was?»
    «Das ist wohl wahr», sagte der Oberkellner selig und nickte, und beide ahnten nicht, daß es schon ein paar Jahre später abgerissen werden und in Vergessenheit geraten sollte.
    Nachdem sie wieder unter sich waren, fragte Carl Isabelle unvermittelt: «Was willst du denn mal werden, wenn du mit der Schule fertig bist?»
    «Weiß nicht.»
    «Aber irgendwas muß dich doch interessieren ...»
    «Meine Mutter meint, ich heirate irgendwann.»
    Carl lachte. «Trotzdem mußt du einen Beruf erlernen. Einen, der dir Spaß macht.» Er erzählte ihr von seinem Beruf und schlug dann vor, nachdem zum Dessert rote Grütze serviert worden war und Carl einen Mokka getrunken hatte, ihr sein Kontor zu zeigen. Keine Stunde danach waren sie dort. Isabelle lernte Frau Gehrmann kennen, die sehr nett zu ihr war, und im Treppenhaus einen freundlich grüßenden Jungen mit Zahnlücke, der Peter hieß und bei Carl Trakenberg eine Lehre zum Großhandelskaufmann machte.
    Dann kam für Isabelle der schönste Augenblick des Tages. Carl betrat mit ihr das Stofflager. Ein langgestreckter, kalter Raum mit gekalkten Wänden und Zementfußboden. Durch die offene Ladeluke fiel die Wintersonne herein. Zu beiden Seiten eines langen Ganges standen Holzregale, in denen die Stoffballen lagerten. Carl drehte einen Schalter herum, und schwarzemaillierte, halbkugelige Industrielampen, die von der Decke herunterhingen, erhellten den Raum.
    Langsam ging er an den Regalen vorbei. Isabelle

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