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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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worum geht es denn, Frau Winter?»
    «Wenn sie Mozart auflegt, beginnt ihre kreative Phase!» Alma hetzte nach unten. «Wenn es nur Instrumente sind, will mal sagen Klarinettenkonzert, Klavier, dann entwirft sie.» Sie hatten die Halle erreicht. Ein überbordender, süß duftender, bunte; Frühlingsstrauß war kurz vor dem Verwelken; schwarzgesprenkelte Papageientulpenblätter rieselten auf den vibrierenden Boden. «Wenn Gesang losgeht, Arien, Duette, Terzette, Chöre, all die schönen Sachen, die einem hier dann so auf die Nerven gehen, dann müssen wir ran. Dann kreiert sie. Dann braucht sie uns. Uns und Nadeln und Stoffe ...» Sie öffnete die verglaste Tür zum Showroom und sprach mit doppelter Lautstärke weiter: «... und unsere Bewunderung!»
    Sie betraten den Raum. Puppe, eine Zigarette zwischen den Lippen, stand in einem schwarz-gelb bedruckten, wildgemusterten afrikanischen Gewand vor einer Schneiderpuppe und legte der gerade eine dicke Kette mit Silbermünzen um die Taille.
    «Das ist zu laut, Frau Mandel. Das ist wirklich zu laut!» rief Alma, ging an die eingebauten Wandschränke aus Schleiflack, öffnete eine der Türen und drehte die Lautstärke der Musikanlage herunter.
    Puppe sah erstaunt auf, als wäre sie aus einem Traum gerissen worden: «Aber ich ...»
    «Ich weiß. Die Inspiration. Aber die kriegen Sie auch, wenn die Musik etwas leiser ist, glauben Sie mir.» Sie trat zu ihrer Chefin. «Was brauchen wir?»
    Puppe schaute über Almas Schulter hinweg zu Isabelle, die in der Tür stehengeblieben war. «Wer ist das?» fragte sie mit ungewohnt hoher Stimme.
    Später würde sich Isabelle immer an diese zweite Begegnung erinnern, mit einem Lächeln. Natürlich wußte Puppe in dem Moment, wer sie war. Natürlich war ihr klar, daß Isabelle der neue Lehrling war, ein Protegé von Carl, jünger als sie, hübscher sogar. Aber eben gerade deshalb spielte sie – geradezu lächerlich schlecht – die Verwirrte.
    «Das ist Isabelle Corthen. Unsere Neue!»
    Isabelle kam, von Alma herangewinkt, hinzu. Sie streckte Puppe ihre Hand hin. «Guten Tag, Frau Mandel. Sie erinnern sich nicht?»
    «Erinnern?» Sie gab Alma die Zigarette. Alma ging an einen der Rauchglas-Sofatische und drückte sie in einem Kristallaschenbecher aus. «Jaja ja! Natürlich. Herzlich willkommen.» Sie schüttelte ihr die Hand, sah sie dabei kaum an und wandte sich dann wieder der Schneiderpuppe zu. «Ich bin nervös ... Kind, ich habe hier diesen Haute-Couture-Entwurf ... für die Fürstin ... sehen Sie doch, Alma: Volants! Sie darf keine Volants tragen, habe ich ihr gesagt, sie ist eine Sechsundvierziger, sie hat Hüften wie eine Kuh und mit Volants wie zwei.» Sie lächelte Isabelle an. «Hören Sie nicht hin. Razzledazzle!»
    Isabelle verstand wieder nichts. Zu dritt betrachteten sie den Entwurf Dies war die erste Phase einer Kreation, wie Alma später erklärte. Nach einer Skizze oder einer Zeichnung der Modeschöpferin wurde an der Puppe das Kleid aus Bahnen von Nessel drapiert. Isabelle sah zu, wie Alma die Silberkette wieder abnahm und statt dessen auch in Taillenhöhe Volants mit Nadeln ansteckte.
    Puppe schrie entsetzt auf. «Alma!» Mit einer heftigen Handbewegung riß sie sämtliche Volants herunter. Die Stecknadeln flogen wie Silberblitze durch den Raum. Alma mußte sich vor das Modell knien und unter Puppe Mandels Anweisungen mit einem Filzstift am Saum eine geschwungene Linie malen, an der sie anschließend mit einer Schneiderschere entlangschnitt.
    «So. Na bitte!» Puppe sah nun schon ein wenig zufriedener aus. «Das hat diesen Schwung, den die Fürstin will, und macht jünger und ...»
    «... 'nen schlanken Fuß!» konstatierte Alma trocken.
    Puppe zündete sich mit einem schweren goldenen Cartier-Feuerzeug eine weitere Zigarette an. «Ich wüßte zu gern, wo meine Zigarettenspitzen geblieben sind. Wahrscheinlich alle geklaut. Ich werde Anzeige gegen Unbekannt erstatten müssen!»
    Isabelle sah sie erschrocken an. Alma, die sich mit knackenden Knien wieder erhob, lächelte beruhigend: «Sie klagt gegen alle und jeden. Das hat nichts zu bedeuten.»
    «Und ob das was zu bedeuten hat. Das brauche ich für meinen Kreislauf.»
    Tatsächlich beschäftigte Puppe Mandel seit Jahren einen Anwalt, der gut von ihr leben konnte, denn sie führte gegen alles, was ihr gegen den Strich ging, einen Prozeß. Sie hatte die Stadt verklagt wegen zu hoher Sielgebühren, ihre Nachbarn wegen Lärmbelästigung. Sie prozessierte gegen eine frühere

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