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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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Bibliothek mit einem Staubwedel aus schwarzen Hühnerfedern Bücherrücken abstaubte.
    «Was soll ich machen, Herr Trakenberg, dem Kind fehlt einfach der Vater. Es braucht eine strenge Hand!» Sie war so verzweifelt, daß sie schließlich sein Angebot annahm zu vermitteln. Zum erstenmal besuchte er Ida Corthen in ihrer Wohnung. Er hatte eine Flasche Rheinhessen dabei, war charmant und freundlich, sah sich interessiert um, erkundigte sich nach diesem und jenem, und nach dem zweiten Glas hatte er eine Lösung parat. Isabelle solle eine Schneiderlehre machen. Er wisse auch schon wo, im Modesalon Mandel an der Alster. Er trug seine Argumente überzeugend vor. Gegen einen so soliden Beruf konnte selbst Ida nichts einwenden. Für die Seriosität des Salons sprach dessen Ruf. Beruhigt verabschiedete Ida ihren Gast zu später Stunde. Sie hatte eingewilligt, und er hatte ihr das Versprechen abgenommen, Isabelle am übernächsten Tag zu einem Bewerbungsgespräch zu Puppe Mandel zu schicken.
    Isabelle war über diese Wendung hoch zufrieden. Für eine Weile fühlte sie sich mit ihrer Mutter versöhnt. Sie umarmten sich innig, als sie vor dem Kutscherhaus standen, wo Carl in seinem Mercedes wartete. Ida spuckte ihrer Tochter dreimal über die Schulter. Dann fuhr Isabelle mit Carl davon.
    Ob es Idas Daumendrücken war, Puppes gute Laune (ihre neuen Entwürfe verkauften sich blendend) oder Carls Überredungskunst: Isabelle wurde eingestellt, obwohl sie bei dem Gespräch in Puppes Büro im ersten Stock keine besonders gute Figur abgab. Sie fühlte sich eingeschüchtert, insbesondere weil Carl und Puppe sich so gut verstanden und sich soviel zu erzählen hatten. Sie kam sich überflüssig vor, und einmal wäre sie fast pampig geworden. Doch Carl gab auch da wieder den Retter und überspielte die Situation mit einem Scherz. Isabelle erhielt einen Vertrag für eine Damenschneiderlehre, die drei Jahre dauern sollte. Sie war überglücklich.

Kapitel 7
    An ihrem ersten Arbeitstag, einem nieseligen Morgen im April, wurde Isabelle von Alma Winter in der Halle in Empfang genommen und ins Atelier gebracht. Als Meisterin war Alma auch für die drei Lehrlinge zuständig. Sie steckte Isabelle in einen weißen Kittel, ordnete mit kritischem Blick auf ihre Schuhe an, daß sie am nächsten Tag Sandalen mitzubringen habe, und machte sie mit den anderen Frauen bekannt. Die beiden Mädchen, die kurz vor dem Ende ihrer Ausbildungszeit standen, die dicke Patrizia Paslack und die stille Susanne Kramer, waren etwas älter als Isabelle und wirkten gelangweilt und unfreundlich. Vier Schneiderinnen, die Wert darauflegten, als Gesellinnen vorgestellt zu werden, als «Obergesellin» und «Untergesellin», arbeiteten ebenfalls in der Werkstatt. Sie saßen hinter ihren wüst aussehenden Arbeitstischen, weit vornübergebeugt, Brille auf der Nase, Schere in der Hand, ein Nadelkissen wie einen Armreif auf das Handgelenk gesteckt. Sie rafften Kleider, sortierten Knöpfe, suchten Fäden. Sie übertrugen zugeschnittene Stoffteile auf Papier, was sie als «Schnittmachen» bezeichneten. Mit schweren, zischenden Bügeleisen fuhren sie stramm über Falten, Kniffe und Knicke, stoisch ließen sie die Nähmaschinen rattern. Ein Kofferradio piepste leise in einer Ecke. Taft raschelte. Ein Mädchen kicherte.
    «So», sagte Alma, «hier werden Sie also künftig arbeiten. Willkommen im Modesalon Mandel.» Ehe sie fortfahren konnte, dröhnte plötzlich in unvorstellbarer Lautstärke Musik durch das Haus, die Arie der Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte. Isabelle zuckte förmlich zusammen vor Schreck. Doch die anderen arbeiteten ungerührt weiter. «Tod und Verderben!» sang die Königin. «Ha-ha-ha-haha-haha-ha ...»
    «Aaach», stöhnte Alma, «Abendkleider!» Sie klatschte ihre Hände zusammen, die so knochig und trocken waren, daß es mehr wie ein Klopfen klang als ein Klatschen. «Also auf!»
    Niemand rührte sich. Isabelle verstand nichts.
    «Susanne!»
    Susanne strich über den taubengrauen Futterstoff und blickte nicht einmal auf, als sie sagte: «Die Neue kann das doch machen!»
    «Auch wieder wahr. Kommen Sie, Fräulein Corthen!» Alma ging aus dem Atelier in den Flur und drehte sich mit einer Geste zu Isabelle um, die aussah, als würde sie husch-husch sagen. Die Schneiderinnen brachen in Gelächter aus, so laut, daß es sogar die Opernarie übertönte. Isabelle schloß die Tür hinter sich und lief Alma nach, die rasch in Richtung Treppe ging. «Was ist denn,

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