Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
immerzu an Jon. Das durfte sie ihm nicht antun. Eigentlich. Aber: Liebte sie ihn überhaupt? Oder war er nur der gute alte Freund aus Kindertagen, mit dem sie einmal geschlafen hatte? Wie kam dieser Kerl hier neben ihr im Cabrio überhaupt dazu, sie so anzubaggern? Eigentlich eine Frechheit. Was dachte er von ihr? Junges, unverdorbenes Mäuschen, das man sich mal eben so hopplahopp greifen konnte? Andererseits fühlte sie sich von Remos Antrag geschmeichelt, und jede andere Frau, das glaubte sie fest, hätte sich keine Minute geziert. Er war sehr lustig, charmant und offen – Wesenszüge, die sie mochte. Er war ein kleiner Angeber, aber einer von der netten Sorte. Er hatte was. Sie sah ihn von der Seite an. Remo schien sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Er sah nicht schlecht aus, wie er so dasaß, hinter dem Steuer seines Wagens, Blick geradeaus, die kleinen Locken, die, wie aus Marmor gemeißelt, seinem Kopf etwas von einer Statue gaben, im Gegensatz zu den lebendigen Zügen seines Gesichts, den Lachfalten um die Augen, den bebenden Nasenflügeln, dem geschwungenen Mund.
«Darf ich wenigstens noch mit reinkommen?» fragte er, nachdem er seinen Wagen wieder vor der Einfahrt geparkt hatte.
Sie nickte.
«Unten stehen die Wagen und oben wohnt ihr?» fragte er, als sie auf das Garagenhaus zugingen.
Isabelle nickte wieder.
«Ich interessiere mich für Autos – meinst du, ich dürfte mal ...?» Er zeigte auf die Tore.
«Von mir aus.»
Durch die Seitentür, die vom Treppenhaus in die Garage führte und niemals verschlossen war, betraten sie den großen Raum, der nach Benzin, Gummi und Feuchtigkeit roch und im Halbdunkel lag. Ein wenig Licht, das durchs Fenster fiel, legte sich über den Jaguar, den daneben parkenden Triumph und Carls Mercedes, vor dem Isabelle und Remo standen.
«Toll!» flüsterte Remo ehrfürchtig. «Allein der Geruch. Erotisch!»
Isabelle wußte in dieser Sekunde, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Sie war gefangen. Nun gab es kein Zurück mehr. Hastig schaltete sie das Licht ein. Remo wandte den Blick nicht von den Automobilen, ging an ihnen entlang, fuhr mit den Fingern über den Lack, schwarz, ochsenblutrot, racing green, und blieb vor dem Fenster stehen. Jetzt erst sah er sie an. Er winkte sie zu sich.
Sie konnte es selbst nicht fassen, aber sie ging auf ihn zu! «Remo! Bitte! Das ist nicht gut! Ich will das nicht. Nicht so ... ich habe einen Freund ...»
«Wir können dem nicht entgehen. Wir können uns nicht gegen das Schicksal stellen, du schaffst es nicht, sosehr du auch willst ...»
«Jeden Moment kann jemand kommen ...»
«Deine Mutter und ihre Freundin machen einen Ausflug, hast du gesagt. Die Hausbesitzer sind auf Reisen.»
«Aber Vivien. Das ist die Tochter.» Isabelle stand jetzt direkt vor ihm.
«Glaubst du doch selber nicht, daß die hier reinkommt.»
«Ich will es nicht. Schon gar nicht hier.» Sie nahm seine Hand. «Doch, du willst es.»
«Ich bin nicht so ein Typ, Remo!»
«Genau der Typ bist du. Du weißt es nur noch nicht.»
Isabelle schloß die Augen, näherte sich Remos Lippen, küßte ihn. Er umfaßte ihren Kopf und schob ihr Gesicht ein wenig von sich.
«Von nun an werden wir ein Paar sein. Ich werde dich nicht mehr in Ruhe lassen.»
Und Remo sollte recht behalten. Anfangs fühlte sich Isabelle dabei schrecklich. Sie hielt ihre Beziehung geheim, was die Sache nur noch schlimmer machte, sie kam sich vor wie der letzte Dreck. Aber sie konnte nicht anders, ganz so, wie Remo es vorausgesagt hatte. Sie war in seinem Bann, er hatte eine Macht über sie, die Jon nie hätte haben können.
Remo verlängerte seinen Hamburg-Aufenthalt, sie sahen sich jeden Tag, liebten sich jeden Tag, und schließlich war ihr Verhältnis so eng und so leidenschaftlich, daß Isabelle sich gezwungen sah, reinen Tisch zu machen. Zuerst wollte sie Jon anrufen. Dann überlegte sie, nach Luisendorf zu fahren, um dort mit ihm zu reden. Am Ende schrieb sie ihm einen Brief.
Ich weiß weder ein noch aus, und ich schäme mich und fühle mich schuldig, aber ich kann nicht anders. Ich bin hin und her gerissen zwischen tausend Gefühlen, und nur wer das selber erlebt hat, wird verstehen, was ich durchmache. Ich habe Dich so gerne, Du bist mein bester Freund, mein Herz gehört Dir, aber ich kann mich von Remo nicht lösen. Besonders schlimm ist für mich, daß ich Dir das ausgerechnet jetzt antun muß, aber andererseits: Soll ich lügen? Dir die Wahrheit verschweigen? Das geht völlig gegen
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