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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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und tranken. Isabelle freute sich aufrichtig für Remo. Sie wußte, wie wichtig ihm der Erfolg war und wie sehr er seit Jahren eine solche Chance herbeigesehnt hatte. Er trank das Glas in einem Zug leer, warf die Arme hoch und drehte sich mit einem Aufschrei im Kreis. Das war es, was sie an ihm immer geliebt hatte, das war ihr Remo, den sie in letzter Zeit kaum noch hatte wiederentdecken können: das fröhliche Kind, der Clown, der glückliche Mann.
    «Komm!» rief er und trat an eines der Fenster.
    «Was kommt denn nun?»
    «Nun bezwingen wir die Götter. Wir schmeicheln ihnen.»
    Er öffnete die Fensterflügel, die mit einem verschnörkelten Messingbügel zusammengehalten waren. Dann nahm er ihr das leere Glas ab, füllte beide Gläser mit Champagner und warf sie hinaus. «Für die Götter!» rief er in die Nacht hinaus, und seine Stimme hallte in der Gasse wider und vermischte sich mit dem ohrenbetäubenden Klirren. «Pour ...»
    «Silence!» brüllte jemand von unten.
    Glück und Glas, wie leicht bricht das! An den Ausspruch Gretels mußte Isabelle in diesem Moment denken. Doch sie sagte nur: «Die schönen Gläser! Der schöne Champagner!»
    Remo grinste. «Den können wir auch aus der Flasche trinken.» Wie zum Beweis setzte er sie sich sofort an den Mund.
    Isabelle glaubte eine ganz neue Seite an Remo entdeckt zu haben. «Seit wann bist du denn so abergläubisch? Wie meine Mutter.»
    «Oder wie du!» Mit feuchten Lippen versuchte er sie zu küssen, aber sie wehrte ab.
    Isabelle schloß die Fenster wieder. Remo ging zum Liegestuhl und setzte sich hinein. Eine Weile sagten beide nichts. Isabelle war am Fenster stehengeblieben, hatte hinausgesehen, sich dann umgedreht und Remos Blick gesucht. Aber er war mit seinen Gedanken ganz bei sich. Wie immer eigentlich.
    «Remo, hör zu ...»
    «Ich weiß schon genau, wie ich's machen werde. Im Studio. Die ganze Fotografiererei draußen, in den Straßen von Paris, oh là là! c'est ça Paris, hängt mir zum Halse raus. Studio. Kalt. Klar. Modern: So muß das werden.»
    «Remo!»
    «Ja?»
    Sie kniete sich neben ihn. «Ich möchte mit dir reden. Ich möchte, daß du mir zuhörst, richtig, verstehst du?»
    Er nuckelte an der Champagnerflasche. «Das klingt ja dramatisch. Was hat denn meine Belle?»
    «Ich bin irgendwie ... total ... unzufrieden mit meinem Leben. Ich fühle mich einerseits ungebunden, wenn ich es mit Hamburg vergleiche, aber andererseits ... so gefangen. Abhängig von dir. Ich habe kein eigenes Geld mehr, ich lebe seit Monaten schon auf deine Kosten ...»
    «Auf meine Kosten. Ich habe doch auch nichts!»
    «Aber du hast wenigstens ab und zu Arbeit. Ich finde keine, und ich leide darunter. Ich habe mir alles anders vorgestellt. Die große Welt, Abenteuer, Erfolge ... Statt dessen gammle ich hier herum, warte auf dich, wie eine Ehefrau, ich will endlich mein eigenes Leben führen. Ich bin so schrecklich passiv ...», sie ließ den Kopf auf seinen Arm sinken, «lahm. Immer haben andere für mich gemacht und getan, ich kriege nichts selber hin, ich möchte endlich Arbeit finden. Eine Arbeit, die ich beherrsche, die mir Freude macht, mir Geld bringt und endlich mein Selbstwertgefühl ... mir wieder Mut macht. Mut! Verstehst du?»
    Er streichelte sie.
    «Verstehst du?» wiederholte sie.
    «Was willst du tun?»
    «Ich werde noch einmal intensiv alles probieren. Wenn ich bis zum Jahresende, oder sagen wir: bis zum Frühling nächsten Jahres, nichts finde, dann ... gehe ich zurück.»
    Sie horchte dem Klang ihrer Worte nach. Remo guckte sie erstaunt an.
    «Meinst du das ernst?» fragte er.
    Sie nickte.
    «Mich allein lassen?»
    «Ich weiß nicht.»
    Remo zog sie an sich und streichelte sie. Er war einer der wenigen Männer, der trotz aller Eitelkeit und Geschäftigkeit kein Autist war. Er wußte, wann man etwas sagen, wann man schweigen, wann man etwas tun mußte, kurz, er besaß das seltene Talent, im richtigen Augenblick das Richtige zu tun. Er schwieg einfach. Er ließ die Stille zu, gab Isabelle und sich Zeit, über das Gesagte nachzudenken. Das Kaminfeuer prasselte. Als habe er dazu den Auftrag, legte der Nachbar in der Wohnung über ihnen eine Schallplatte auf: Gedämpft und sentimental sang Yves Montand Les feuilles mortes, das Lied vom sterbenden Herbstlaub, das Isabelle so mochte. Sie wunderte sich über sich selbst. Sie hätte glücklich sein müssen. Sie hatte sich durchgesetzt. Sie war in Paris an der Seite des Mannes, den sie vergötterte, sie lebten wie

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