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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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blieb sie stehen und lehnte ihre Stirn gegen die Scheibe, die angenehm kühl war. Die Tablette wirkte schnell.
    Warum gehe ich nicht einfach mit nach New York, selbst wenn Remo es nicht will? dachte sie. Sie würde mit Christin darüber reden, schließlich war sie ihre beste Freundin. Sie könnte bei ihr wohnen. New York war der richtige Ort für Leute, die etwas wollten vom Leben. Christin würde ihr helfen, ja! Mit Remo würde sie Schluß machen. Was sollen wir uns mit Männern belasten, sagte Christin doch immer, und sie hatte recht damit. Ja. So sollte es sein. Jetzt war Schluß mit Selbstmitleid und Niederlagen.
    Unten vor dem Haus fuhr ein Taxi vor und hielt. Remo stieg aus. Isabelle schaute auf ihre Armbanduhr. Um diese Zeit kam er sonst nie. Remo ging an die Kofferraumklappe, öffnete sie und nahm seine Fototasche heraus. Die zweite hintere Autotür ging auf.
    Christin! Sie ging auf Remo zu, blieb dicht vor ihm stehen. Isabelle war irritiert. Was hatte das zu bedeuten? Angeblich arbeitete er doch in diesen Tagen für die Marie France. Die beiden unterhielten sich. Wahrscheinlich sprachen sie über den Start in New York. Isabelle wollte das Fenster öffnen, um die beiden heraufzurufen.
    Da bemerkte sie, daß ihr Freund und ihre Freundin sich nicht unterhielten, sondern stritten. Es war ein heftiger Streit, Christin wollte in das Taxi zurück, aber Remo hielt sie zurück. Dann stockte Isabelle der Atem. Remo küßte Christin. Er nahm ihren Kopf zwischen seine Hände, ganz so, wie er es damals bei Isabelle in Hamburg getan hatte, drückte seinen Mund auf ihre Lippen. Christin erwiderte den Kuß. Isabelle kam es wie eine Ewigkeit vor, bis sie sich wieder voneinander lösten und Christin zurück ins Taxi stieg. Der Wagen fuhr ab und Remo, der Oberflächliche, der Überlegene, der Männliche, blieb mitten auf der Straße stehen und winkte und winkte und winkte, bis das Taxi am Ende der schmalen Straße hinter einer Kurve verschwand.
    Ich sterbe, dachte Isabelle und trat vom Fenster zurück.
    Nein, antwortete eine Stimme in ihr in strengem Ton, du stirbst nicht.
    «Doch», murmelte sie und fing auf einmal an zu zittern, «ich sterbe!»
    Nein. Du wirst ihn töten. Du wirst sie töten. Du wirst beide töten und den Rest deines Lebens in einem französischen Frauengefängnis verbringen, aber sterben wirst du nicht.
    Isabelle lief in die Küche, goß den Rest einer Flasche Malt Whisky in ein Wasserglas und trank es in einem Zug leer. Sie hörte Remos Schritte im Treppenhaus. Er pfiff fröhlich ein Chanson. Die Fußmatte wurde hochgeklappt, der Wohnungsschlüssel ins Schloß gesteckt und herumgedreht. Dann ging die Tür auf.
    Isabelle verlor kein Wort über das, was sie eben gesehen hatte, als Remo fröhlich das Appartement betrat und seine Lebensgefährtin begrüßte. Isabelle ließ sich nichts anmerken. Sie war wie immer.

Kapitel 14
    Der Selbstmord seiner Mutter hatte Jons Wesen verändert. Sein Leben nahm eine völlig neue Wendung. Hatte er einst davon geträumt, Schriftsteller zu sein, und sich dann entschieden, Lehrer zu werden, wollte er nach dem Tod von Hanna Rix nichts anderes mehr als Medizin studieren. Schuldgefühle quälten ihn nach wie vor. Nie wieder wollte er in einer solchen Notsituation so hilflos dastehen. Arzt zu werden erschien ihm der einzig richtige Weg für seine Zukunft zu sein. Er bewarb sich um einen Studienplatz und erhielt ihn. In Hamburg.
    Mit gemischten Gefühlen kam er in die Stadt, in die er eigentlich hatte ziehen wollen, um mit Isabelle zusammenzusein. Er hatte ihr den Brief, mit dem sie Schluß gemacht hatte, und ihre Reaktion nach dem Tod seiner Mutter noch nicht verziehen. Isabelle hatte ihm einen so tiefen Schmerz zugefügt, daß die Wunde lange nicht heilte. Er spürte keinen Haß, aber ihr Verhalten war ihm ganz und gar unverständlich.
    In jenem Frühjahr, als Isabelle ihre Schneiderinnenlehre beendet hatte und nach Paris gegangen war, begann er sein Studium. Er bezog ein kleines Zimmer zur Untermiete in der Nähe der Universität. Mit ganzer Kraft warf er sich in seine Studien, denn sie lenkten ihn auf angenehme Weise ab, stillten seinen Wissenshunger und brachten ihn seinem Ziel näher. Doch Isabelle konnte er nicht vergessen. Ein wenig schämte er sich dafür, daß er auf ihre vielen Anrufe und Briefe nie reagiert hatte. Einmal fuhr er hinaus zur Elbchaussee und stand einen ganzen Abend lang vor der Villa der Trakenbergs, starrte von der gegenüberliegenden Straßenseite auf

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