Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
nach New York. Deshalb habe sie auch keine Zeit, in die Oper zu gehen. Als kleine Entschädigung für ihre Untreue füge sie die zwei Billetts bei. Belle solle mit Remo hingehen, sie habe ihm den Opernbesuch bei ihrem letzten Treffen in der Redaktion schon avisiert. Meine kleine Belle, schrieb sie weiter in ihrer Krickelkrakel-Schrift, ich würde so gerne mit Dir reden. Ich habe Dir soviel zu sagen. Aber es geht nicht. Wie ich Dir schon damals, an unserem wundervollen Abend im Coupole sagte: Vergiß mich nicht und verzeih mir. Christin.
Den letzten Satz hatte Isabelle nicht verstanden. Doch ihre Freude über diese Überraschung war groß. Sie genoß den Abend in der Oper, hatte sich so elegant ausstaffiert, daß es sogar Remo auffiel, der in letzter Zeit nur noch mit sich selbst beschäftigt gewesen war und weder ein Wort noch ein Auge für sie gehabt hatte.
Danach waren sie zu Fuß durch die Avenue de l'Opéra in Richtung Palais-Royal gegangen, wo eine einfache Bar lag, in der sie noch einen Absacker trinken wollten. Isabelle hatte von Puppe Mandels Leidenschaft für Mozart erzählt und gestanden, daß sie bei der Arie «Un' aura amorosa» in Tränen ausgebrochen sei.
Remo hatte ihr nicht zugehört. Er war mit seinen Gedanken woanders. Sie spürte das und fragte nach. Und dann gestand er es: «Ich werde auch nach New York gehen.»
«Was ?»
«Christin hat mir für ihre erste Produktion einen Job angeboten, ich habe ja gesagt.»
«Und ich?» fragte Isabelle, nachdem sie in der Bar angekommen waren und vor einem rouge am Tresen saßen.
«Du kannst nicht mit.»
«Wer sagt das?»
«Ich.»
«Das war ja schon immer so deine Art. Der Herr bestimmt, und ich habe zu folgen.» Isabelle war außer sich vor Zorn. Sie imitierte ihn: «Ich küsse dich jetzt, ich schlafe jetzt mit dir, ich nehme dich mit nach Paris ...»
«Genau. Und jetzt sage ich: Du bleibst hier.»
«Bist du verrückt?»
Er wollte lieb wirken, aber sein Lächeln verrutschte. «Im Ernst, Isa ... was willst du da drüben? Es ist alles eine verrückte Idee ... Für mich als Fotograf ist es eine Chance, ein Versuch, kann schiefgehen oder auch nicht. Ich muß mich weiterentwickeln, ich kann nicht stehenbleiben. Gerade jetzt, wo es bei mir losgeht. Ein Fotograf braucht internationale Erfahrungen, Kontakte ...»
Sie unterbrach ihn heftig. «Ein Fotograf, ein Fotograf, ein Fotograf ... Denkst du auch mal an mich? An uns?»
«Was meinst du, wie lange ich darüber gegrübelt habe, wie ich es dir sagen soll. Ich fand: so ehrlich wie möglich.»
«Toll!» Sie trank ihr Glas leer und bestellte sich bei dem Barmann mit einer Handbewegung ein zweites. «Und wahrscheinlich hast du längst alles mit Christin besprochen, und ich bin die Doofe und erfahre es als letzte.»
Er antwortete nicht auf ihre Vermutung. «Es ist ohnehin schwierig, eine Genehmigung zu kriegen, da zu arbeiten, Visum und so 'n Zeug. Ich probier's halt, und wenn's klappt und alles bingobotscho ist, sehen wir, ob du nachkommst.»
«Ich bin doch keine Schachfigur in deinem Leben. Remo, ich finde das unmöglich, wie du mir deine Entscheidungen unterjubelst. Wir sind zu zweit, ich bin dir hierhergefolgt, du hast auch Verantwortung mir gegenüber. So was bespricht man. Das entscheidet man nicht einfach.»
Plötzlich schlug er mit der Faust auf den Tresen und schrie sie an: «Wie oft? Wie oft willst du mir noch sagen, du seist mir gefolgt, du seist nur meinetwegen hier? Ewig machst du mir ein schlechtes Gewissen. Ewig meckerst du herum, darauf habe ich keine Lust, wirklich nicht. Du bist aus freien Stücken hierhergekommen. Weil du es wolltest. Genauso frei kannst du dich auch entscheiden, wieder nach Hamburg zurückzugehen, oder wohin auch immer. Hast es mir ja auch schon mal angedroht: ‹Wenn ich keine Arbeit finde, gehe ich zurück.› – Gleiches Recht für alle, oder? Ich hätte dir nie einen Stein in den Weg gelegt.»
«Großzügig. Als wenn es darum ginge.»
«Also leg du mir auch keinen in den Weg.»
Wie die meisten Frauen schüchterte es auch Isabelle immer wieder ein, wenn ein Mann brüllte. Sie fühlte sich dann schuldig. Im Unrecht. Laute, aggressive Männer machten sie sprachlos. Stumm trank sie ihren Wein und dachte nach. Sie konnte nicht glauben, was ihr widerfahren war. So kurz hintereinander erfahren zu müssen, daß ihre beste Freundin und dann auch noch ihr Freund sie verlassen würden, war ein Schock für sie. Hinzu kam die Angst vor dem Alleinsein in der großen Stadt
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