Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
Musik, die eine Combo im Hintergrund spielte, ein heiteres Kleeblatt, und jeder, der sie im Vorbeigehen sah, hätte denken können, sie seien die besten Freunde. Doch Isabelle fühlte sich unwohl und hatte schlechte Laune. Ständig machte Peter Ansaldi irgendwelche eigenartigen Bemerkungen. Andauernd starrte sein Freund, der sich als begeisterten Jäger beschrieb, sie verzückt an. Bei Tisch entwickelte er sich gar zum leidenschaftlichen Schwätzer. Nicht einmal während der Tischreden – Carl rührte mit seinen liebevollen Worten die Familie und einige Freunde zu Tränen – unterließ er es zu reden. Er kommentierte alles. Und alles abfällig. Sogar das Essen. Das regte Isabelle besonders auf, denn Gretel hatte sich selbst übertroffen. Es gab Hummersalat, eine Consommé, dann Lachs in Blätterteig, danach ein Zitronensorbet und als Fleischgang warmes Roastbeef mit Gemüsen. Zum Abschluß wurden Käse und Früchte serviert und als Dessert bayerische Creme.
Isabelles Tischherr, der auf Anfrage nach seiner beruflichen Tätigkeit nebulös geantwortet hatte, er mache «gute Geschäfte», begleitete das Essen mit schrecklichen Geschichten über die Jagd. Als Kaffee, Gebäck und Digestifs gereicht wurden, war er beim Ausweiden angekommen und drückte ihr dabei sein mageres Bein gegen den Oberschenkel. Isabelle erging sich derweil in Haßphantasien. Sie wollte den Rest des Château Petrus über sein dünnes Haar und sein bleiches Gesicht gießen. Doch sie entschied sich statt dessen, abrupt aufzustehen und sich zu verabschieden.
«Nehmen Sie's mir nicht übel», erklärte sie, als er sich – immerhin gut erzogen – mit ihr erhob. «Ich interessiere mich weder für Jagd noch für Sie. Sie langweilen mich zu Tode.» Mit diesen Worten ging sie.
Zwischen Wohn-, Eßzimmer und Bibliothek waren die Schiebetüren geöffnet worden, so daß ein großer, über Eck gehender Raum entstand, in dem ein Dutzend runder Tische aufgebaut waren. Isabelle schlenderte in ihrem schwarzen engen Samtkleid, das sie selbst entworfen hatte, an den Tischen vorbei, grüßte kurz Puppe Mandel an dem einen und Charlotte an dem anderen Tisch, nickte einem Bekannten zu, den sie schon des öfteren bei den Trakenbergs gesehen hatte, und ging dann hinaus auf die Terrasse. Sie hatte nicht bemerkt, daß Carl ihr mit seinen Blicken gefolgt war, daß Puppe Mandel es beobachtet und ihm kurz zugenickt hatte.
Es war eine herrliche Mainacht. Die Luft war, besonders nach der Hitze drinnen, angenehm kühl und frisch. Zwei ältere Herren im Frack standen einander gegenüber und sprachen über die Börse. Sie sahen aus wie zigarrenrauchende Pinguine. Kleine Wölkchen stiegen aus ihren Mündern auf. Am Himmel funkelten die Sterne. Isabelle ging langsam über den Rasen. Von drinnen drang das Lärmen der Menschen heraus und in Wellen die Musik der Combo. Sie spielten Fly Me to the Moon. Je weiter Isabelle vom Haus wegging, desto leiser wurden die Geräusche. Früher war sie oft am Ende des Grundstücks gewesen, das hier nur durch einen einfachen Drahtzaun vom wild bewachsenen Hang getrennt war, hatte auf die Elbe geschaut und den Schiffen nachgesehen. Doch jetzt war sie schon lange nicht mehr hier gewesen.
Links lag der Pavillon. Die Tür war weit geöffnet, und wohl wissend, daß sich bei solchen Gesellschaften immer wieder Romantiker oder Pärchen hier einfanden, hatten die Gastgeber Windlichter aufgestellt, deren Kerzen friedlich brannten. Isabelle setzte sich mit dem Rücken zur hellerleuchteten Villa auf die mit geblümten Kissen gepolsterte Holzbank, zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief und schaute aus den Sprossenfenstern hinaus. Auf der gegenüberliegenden Uferseite sah man noch Teile einer Werftanlage, dahinter das flache Land, das in der Dunkelheit versank.
Isabelles schlechte Laune hatte sich in eine nachdenkliche Stimmung verwandelt. Sie dachte an Paris. Wie immer, wenn wir zu unseren Erlebnissen einen langen zeitlichen Abstand bekommen haben, verblassen die Erinnerungen nicht, wandeln sich aber. Das Schlechte erscheint uns weniger schlecht, das Gute hingegen gewinnt die Oberhand, wird strahlender und besser, als es je war.
Isabelle mußte an Christin Laroche denken. Was sie jetzt wohl machte? Nie wieder hatte sie ihre frühere Freundin gesehen oder etwas gehört. Christin war intelligent genug, zu wissen, warum Isabelle ihre Briefe nicht beantwortet und sich nie mehr bei ihr gemeldet hatte. Ob sie sich schämte für das, was sie getan
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