Der Seher des Pharao
hereingekommen, als Heby den Raum verlassen wollte, und hatte ihrem ungeduldigen kleinen Sohn noch einen Kuss auf die Locken gedrückt. »Heby hat ein sehr gutes Gedächtnis, und wenn du ihn enttäuschst, findest du leicht mal einen Käfer in deinem Schurz! Hast du gut geschlafen in deinem alten Zimmer?« Sie goss ihm Milch ein und schnitt ein Stück Ziegenkäse von der braunen Platte auf dem Tisch. »Nimm dir auch Datteln.« Huy setzte sich und griff nach dem Brot.
»Ich habe gut geschlafen und werde Heby bestimmt einmal nachmittags mitnehmen«, antwortete Huy und hielt sich das Brot genussvoll unter die Nase, ehe er hineinbiss. »Oh, Mutter! Ich könnte Hapsefas Brot Tag und Nacht essen!«
»Danke, junger Herr.« Die Dienerin war ins Zimmer gekommen und räumte die benutzten Teller und Reste ab. »Ischat hat mir erzählt, dass ihr euch gestern Abend getroffen und sehr lange Neuigkeiten ausgetauscht habt.« Sie sah Huy von der Seite an, und der wusste genau, was sie dachte.
»Außer Neuigkeiten haben wir nichts ausgetauscht, Hapsefa«, versicherte er ihr. »Ist warmes Wasser da, sodass ich mich nach dem Frühstück waschen kann?«
»Dein Vater hat etwas übrig gelassen, ehe er zur Arbeit gegangen ist. Es könnte noch warm sein.« Sie ging beladen hinaus.
Itu setze sich neben Huy und sah ihm beim Essen zu. »Was ist mit deinem Freund Thutmosis?«, fragte sie nach einer Weile. »Wirst du ihn vermissen, Huy? Wirst du manchmal nach Iunu fahren, um ihn zu besuchen?«
»Ich vermisse ihn sehr«, antwortete er, »aber ich werde ihm so oft schreiben, wie mir Methen Papyrus dafür gibt. Thutmosis schenkte mir ein Bündel, aber das wird nicht ewig reichen.«
»Und was ist mit seinen Schwestern? Vermisst du die auch?«
Er wollte sie schon hänseln, aber dann sah er ihren erwartungsvollen Ausdruck. »Ich werde die ganze Familie vermissen«, sagte er zwischen zwei Bissen. »Sie waren gut zu mir und großzügig – und ja, Mutter, ich verspüre immer noch mehr als Zuneigung zu Nachts jüngster Tochter Anuket. Doch das wusstest du, ohne dass ich direkt darüber geredet habe.«
»Ich habe es an der Art gemerkt, wie du über sie gesprochen hast.« Itu seufzte. »Ich hatte gehofft, deine Neigung wäre mittlerweile abgeklungen, mein Sohn. Soll dein Vater dir eine angemessene Frau suchen?«
Huy schluckte den letzten Bissen und lehnte sich zurück. »Nein«, erwiderte er bestimmt. »Wie könnte ich bei der Stellung, die ich habe, eine Frau ernähren? Und außerdem: Wo gibt es eine Frau meines Standes, die mein Interesse und meinen Respekt verdient?«
»Nirgendwo in der Nähe, das ist wahr«, gab Itu zu. »Die Kinder des Gaufürsten von Iunu haben dich für eine Beziehung innerhalb deines eigenen Stands verdorben. Das ist ein Jammer. Vielleicht kann Ker helfen. Er hat viele Bekannte unter den Händlern zwischen dem Delta und Weset.«
»Ich nehme keinen Gefallen von Ker mehr an, und du weißt sehr gut, warum«, sagte Huy barsch. »Ich habe einfach kein Interesse zu heiraten, Mutter. Vielleicht werde ich das nie haben.« Er stand abrupt auf. »Ich muss mich jetzt waschen.«
Draußen, zwischen Haus und Küche, befand sich die Grube, über der Hapsefa das Wasser erhitzte. Ein großer Kessel hing über der Asche des Morgenfeuers. Daneben befanden sich auf der festgestampften Erde eine kleine Schüssel mit Soda und ein Leinentuch. In dem Behälter, der schief an der Wand lehnte, schien kein Öl mehr zu sein. Hapu hatte es aufgebraucht. Huy machte ihm deshalb keinen Vorwurf, denn ein Mann, der den ganzen Tag in der unbarmherzigen Sonne arbeitete, brauchte viel Öl zu seinem Schutz. Huy schüttete das lauwarme Wasser mit einer Kelle über sich. Er löste die Haare, wusch sie aber nicht. Nachdem er seinen Körper geschrubbt hatte, flocht er seinen Zopf neu, befestigte ihn mit dem Frosch und ging wieder ins Haus, um seinen Beutel zu holen und sich auf den Weg zu machen.
Doch als er durch den Flur ging, drangen verärgerte Stimmen zu ihm. Im Empfangszimmer standen seine Mutter und Hapsefa einer schmallippigen Ischat gegenüber. Hapsefa war vom Ausschnitt ihres dicken Kleides bis zum Ansatz ihrer grauen Haare rot, seine Mutter wirkte verwirrt. Ischat stand mit verschränkten Armen und einem störrischen Ausdruck da, den er nur zu gut kannte. Neben ihren bloßen Füßen lag ein großer Leinensack. »Es ist mir egal, was du sagt«, erklärte sie mit lauter Stimme. »Ich gehe. Und wenn Vater mich zurückholt, laufe ich sofort wieder weg.
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