Der Seher des Pharao
Enkelkinder?«
»Nicht von mir.« Ein unlogisches, doch vertrautes Schuldgefühl stieg in Huy auf. Die Schuld ob seiner Unzulänglichkeit, seiner Einzigartigkeit. »Aber Heby ist ja noch da«, fügte er bitter hinzu.
»Ja, da ist noch Heby.« Itu ließ die Arme fallen. »Das ist ein Schock, aber ich darf nicht traurig sein.« Ihre Stimme zitterte. »Ich muss stolz sein, dass mein Sohn von den Göttern zum Seher auserwählt worden ist. Ich wünschte, das hättest du mir offen und von selbst erzählt, Huy.« Sie wandte sich an Ischat. »Es war böse von dir, das für deine Zwecke zu benutzen.« Ihr Blick wanderte zwischen Huy und Ischat hin und her. Meine Mutter ist nicht dumm, dachte Huy liebevoll. Sie weiß um Ischats Gefühle für mich. Sie stellt die Freundschaft zwischen uns in Rechnung. Sie will nicht, dass ich in der Stadt einsam bin. Sie will wissen, wie es mir ergeht. Und wer kann ihr das besser sagen als Ischat? Vielleicht denkt sie auch, dass Atum mich eines Tages von dem Bann befreien könnte, unter dem ich leben muss, und Ischat dann eine tatkräftige und gesunde Ehefrau für einen Bauern wie mich sein könnte, wenn sich meine Umstände nicht geändert haben. Itus nächste Worte bestätigten seine Vermutung. Ihre Stimme war jetzt kräftiger. »Huy, willst du das?« Hapsefa schrie auf, doch Itu brachte sie mit einem entschiedenen Wink zum Schweigen. Plötzlich sah Huy sie als das, was sie wirklich waren: Herrin und Dienerin. »Ischats Vater wird wütend sein.«
»Nein, das wird er nicht«, mischte sich Ischat ein. »Er ist es leid, einen Mann für mich suchen zu müssen. Wenn ich Huys Dienerin werde, hält er das für eigenartig, aber er genießt das erste Mal seit meiner Geburt den Frieden in seiner Hütte.«
»Böses Mädchen!«, schaltete sich Hapsefa hitzig ein. »Dein Vater liebt dich! Er will nur dein Bestes!«
»Ja, Mutter«, sagte Huy klar und deutlich, »ich will das. Ich habe es mir nicht ausgedacht, aber es macht auf merkwürdige Art Sinn.« Er drehte sich zu Ischat um. »Beugst du dich meiner Autorität? Wirst du mir gehorchen, Ischat? Ich kann dich nicht bezahlen. Mein Haus hat nur drei Zimmer, eins davon wird deines. Doch die Straße ist sehr laut. Tagsüber muss ich dem Oberpriester zur Verfügung stehen. Du wirst weit weg von den Kanälen und Feldern sein.«
Ischat beugte sich zu ihm. »Das ist mir egal. Ich werde dir als meinem Herrn gehorchen, Huy. Das verspreche ich.«
Und ich bezweifle es, dachte Huy sarkastisch. »Sie muss dich und ihren Vater einmal die Woche besuchen«, erklärte er Hapsefa. »Dann siehst du selbst, wie es ihr ergeht. Also wirklich, Ischat«, fuhr er das grinsende Mädchen an, »wie kommt es, dass du immer deinen Willen durchsetzt?«
Ischat hob ihren Sack auf und ging zu Hapsefa. »Natürlich weil ich immer versuche, die Götter zufriedenzustellen.« Sie küsste die hochrote Wange ihrer Mutter. »Du brauchst mich hier wirklich nicht mehr, Mutter«, sagte sie freundlich. »Jetzt, wo Heby in der Schule ist. Danke für deine Nachsicht.« Sie verbeugte sich vor Itu. »Und danke, Herrin, für deine Weisheit. Huy, ich warte am Tor auf dich.« Damit war sie verschwunden. Die übrigen drei sahen sich an.
»Wenn sie halsstarrig wird und nicht gehorcht, schick sie nach Hause«, sagte Hapsefa. Sie war offenbar immer noch verärgert.
Itu ging zu Huy, umarmte ihn und legte den Kopf auf seine Brust. »Es tut mir so leid«, flüsterte sie. »Hoffen wir, dass das Wirken der Sehergabe dich ein wenig für das entschädigen wird, was du verloren hast.«
Huy drückte sie an sich. Er war unglaublich berührt. »Ich bereue, dass ich mich all die Jahre nicht um dich gekümmert habe. Vergib mir, Itu.« Als sie sich voneinander lösten, sah Huy, dass das Sa einen Abdruck auf ihrer Wange hinterlassen hatte.
»Pack deinen Beutel und geh«, befahl sie ihm. »Hapsefa, wir müssen für das Mittagessen Linsen waschen und Zwiebeln hacken.« Bedächtig schritt sie zur Tür, und Hapsefa folgte ihr. Die Dienerin verabschiedete sich nicht von Huy.
Ischat sah Huy kommen und schwang ihren Sack auf die Schulter. »Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen«, erklärte sie, als sie durch das Tor gingen und sich auf den weiten Weg in die Stadtmitte machten. »Je mehr ich darüber nachgedacht habe, mit dir zu kommen und mich um dich zu kümmern, desto richtiger erschien es mir. Ja, heute bin ich glücklich!«
»Ischat, ich werde nicht versuchen, mit dir zu schlafen«, sagte Huy streng. »Du
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