Der Seher des Pharao
Ich bin fünfzehn, Mutter. Bald bin ich sechzehn. Warum willst du dich jetzt noch mit mir streiten?«
Huy blieb in der Tür stehen, und die drei Frauen drehten sich gleichzeitig zu ihm um. »Huy, war das deine Idee?«, fragte Itu mit erstickter Stimme, während Hapsefa gleichzeitig schrie: »Meister, Huy, du solltest dich schämen!« Ischat lächelte verschmitzt.
»Was im Namen der Götter geht hier vor sich?«, fragte Huy verwundert. »Worüber streitet ihr? Guten Morgen, Ischat.«
»Guten Morgen, Huy«, antwortete sie ruhig. »Ich habe unseren Müttern gerade erzählt, dass ich beschlossen habe, mit dir in das neue Haus zu gehen. Du brauchst eine Dienerin, die für dich kocht, auf den Markt geht und deine Sachen wäscht und flickt.« Ihre Schultern und ihre Augenbrauen hoben sich parallel. Sie löste die Arme und spreizte die Hände. »Wo willst du sonst jemanden finden, der bereit ist, das für ein bisschen Essen zu tun? Du wirst keine Zeit haben, dich selbst um den Haushalt zu kümmern, und ich weiß, dass du zu arm bist, um dir eine Sklavin zu leisten.« Sie legte eine Hand mit einer anmutigen, theatralischer Geste auf ihre Brust. »Ich bin bereit, dieses Opfer für dich zu bringen. Ich habe das beschlossen. Schau.« Sie stieß mit dem Fuß gegen den Sack. »Ich habe meine Sachen schon gepackt.«
Die beiden Frauen protestierten lauthals, doch als Huy die Hand hob, waren sie erstaunlicherweise sofort still. »Die Idee ist lächerlich«, sagte er. »Und nein, Mutter, sie stammt nicht von mir. Ischat hat sich das selbst ausgedacht.« Das Mädchen nickte triumphierend.
»Aber du musst diesen Unsinn gestern Abend im Garten irgendwie angedeutet haben«, sagte Hapsefa hitzig. »Es gehört sich nicht, dass ein unverheirateter Mann und ein junges Mädchen allein unter einem Dach leben! Jeder wird annehmen, dass die Pflichten meiner Tochter weiter als Putzen und Waschen gehen! Du bist eine ungezogene Schlampe, Ischat.«
Das Lächeln war von Ischats Gesicht gewichen. »Ich bin keine Schlampe, Mutter!«, schrie sie. »Ich bin eine Dienerin, und zwar eine gute. Du selbst hast mir das beigebracht. Huy ist mein Freund, und er wird mein Herr sein. Zu Seth mit dem, was andere Leute denken!«
»Aber Ischat, Huy ist ein normaler Mann mit männlichen Begierden«, wandte Itu ein. »Du kannst nicht erwarten, dass er Woche um Woche mit dir im Haus lebt und nicht … nicht …«
»Das erwarte ich. Keine von euch scheint daran denken zu wollen, dass Huy ein Seher ist. Er kann keinen Geschlechtsverkehr haben. Das hat er mir gesagt.« Huy sah, wie ein listiger Ausdruck über ihr Gesicht huschte.
Itu blickte ihn gequält an. »Oh, mein Liebster!« Ihre Stimme zitterte. »Wie schrecklich, Huy! Ist das wahr? Aber du hast mir doch gerade erzählt, dass du immer noch die Schwester deines Freundes begehrst!«
Huy hätte Ischat, die jetzt scheinheilig dreinschaute, am liebsten geschüttelt. Du kleine Füchsin, beschimpfte er sie tonlos, als sich ihre Blicke trafen. Du hast es, seit du einen Besen halten konntest, gehasst, unter der Fuchtel deiner Mutter zu sein. Ich erinnere mich an deine Klagen. Und ganz gleich, was ich jetzt sage, du bist entschlossen, mich so lange zu verfolgen und zu bedrängen, bis ich ja sage. Außerdem, fügte eine andere Stimme in seinem Inneren hinzu, wäre es denn so schlecht, wenn Ischat in dem anderen kleinen Raum sein würde? Hapsefa hat sie gut angelernt. Solange sie macht, was ich ihr sage … Er zog eine Grimasse. Ischat in die Schranken zu weisen, könnte schwieriger sein, als Methens Tempelbücher in Ordnung zu halten.
»Ja, Mutter, es ist wahr«, gab er zu. »Der Re-Oberpriester und die Rechet – sie hat die Exorzierung vorgenommen, die nicht nötig war – und auch Methen sind sich sicher, dass ich meine Gabe verliere, wenn ich nicht im Zölibat lebe.« Er zögerte, denn er wollte den Qualen seiner Mutter nicht noch mehr hinzufügen und war wütend auf Ischat, dass sie ihn dazu zwang. »Ich liebe Anuket nach wie vor«, fuhr er rasch fort, als er sah, dass Hapsefa etwas sagen wollte. »Aber meine Gefühle sind gegenstandslos. Ich wollte die Gabe loswerden. Ich habe versucht, mit einer Frau zu schlafen, und habe versagt. Atum hat mich daran gehindert.« Er schluckte. »Ich hätte offener zu dir sein sollen, Mutter, aber ich wollte dir den Schmerz ersparen, den du jetzt verspürst.«
Itus beide Hände lagen an ihrer Kehle. »Ich werde keine Schwiegertochter haben?« Sie flüsterte beinahe. »Keine
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