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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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einen großen Raum mit schrägem Boden und großen, mit Wasser gefüllten Gefäßen an den Wänden. Kleinere Krüge enthielten Öl, und auf einem langen Tisch lag ein Stapel Leintücher verschiedener Größe. Drei Jungen standen in dem Raum, trockneten sich ab und redeten laut miteinander. Ihre Stimmen hallten in der feuchten Luft. Huy sog sie voll Freude ein. Die Luft war in Iunu trockener als zu Hause und enthielt weniger Gerüche. Das hatte er, wie er jetzt merkte, vermisst.
    »Ich lasse dich eine Weile hier allein«, sagte Harnacht. »Nimm eine der Kellen, übergieß dich mit Wasser, nimm dir eine Handvoll Soda aus der Schale, und schrubb dich gründlich. Doch ich denke, ich muss dir nicht erzählen, wie man sich wäscht. Vergiss aber nicht, deine Locke zu ölen! Findest du zurück zu unserer Kammer?«
    Huy nickte. Nicht wie der Schoßhund Thutmosis, dachte er zornig. In Wahrheit war er schon ein bisschen eifersüchtig auf Thutmosis.
    Nachdem Harnacht verschwunden war, ging Huy vorsichtig mit der Kelle zu einem der Wassergefäße. Er war sich der fremden Jungen bewusst, die am anderen Ende des Raumes weiterhin miteinander plauderten, aber sie würdigten ihn nicht einmal eines Blickes. Der Behälter war so groß wie er selbst. Auf Zehenspitzen gelang es ihm, genug Wasser zu schöpfen, um nass zu werden. Er hatte kaltes Wasser erwartet, aber es war lauwarm. Wahrscheinlich ist es heiß, wenn es ins Badehaus kommt, dachte er, als er die Hand in das Soda tauchte. Er schaffte den Rest der Aufgabe relativ gut, rieb sich ungelenk Öl auf alle erreichbaren Körperstellen und vergaß auch nicht, seine neue Jugendlocke zu benetzen. Er hatte das Gefühl, sein Kopf würde auf die Seite gezogen, wusste aber, dass ihn das einseitige Gewicht nicht mehr stören würde, sobald er sich daran gewöhnt hätte, nur dieses eine Haarbüschel zu haben.
    Er fand zurück in seine Kammer und kämpfte mit dem Lendentuch und dem Schurz, die auf dem Bett bereitlagen. Das Leinen war besser als sein eigenes. Eine Schale mit Datteln und Rosinen sowie ein Glas Milch standen ebenfalls bereit. Huy zögerte. Er war zwar schon wieder hungrig, aber vielleicht hatte Harnacht den Imbiss für sich selbst geholt. Doch da sie sich auf seinem Tisch befanden, leerte er schließlich Becher und Schale.
    Als Harnacht kam, zog Huy gerade seine Sandalen an. »Ich habe mich selbst gewaschen und selbst angezogen«, platzte er heraus, ohne daran zu denken, dass andere Jungen dies selbstverständlich konnten. Doch Harnacht nickte bloß. Er hielt eine weiße Schleife in der Hand. Huys Hochstimmung schwand. »Nein, das tue ich nicht«, sagte er.
    »Tust du doch.« Harnacht streckte sie ihm hin. »Alle Jungen im ersten Jahr tragen eine weiße Schleife. Im zweiten Jahr bekommst du eine gelbe, im dritten eine blaue, im vierten eine rote. Daran erkennen die Lehrer und Diener, wie weit deine Ausbildung vorangeschritten ist. Ab dem fünften Jahr gibt es Armreifen. Hier ist meiner.« Er zeigte ihm sein Handgelenk. »Ich bin jetzt im neunten Jahr und zwölf Jahre alt. Wenn du das zwölfte Schuljahr erreichst, bekommst du einen goldenen Armreif. Den musst du später an die nächsten Fünfzehnjährigen weitergeben, aber der Oberpriester überreicht dir dann persönlich eine Schriftrolle, die besagt, dass du fortan als Schreiber arbeiten darfst, wenn du möchtest.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich denke, ich werde der Nachfolger meines Vaters als Bürgermeister von Abtu. Aber vorher werde ich wohl sein Hilfsschreiber sein. Nun mach die Schleife um deine Jugendlocke, binde sie dicht am Kopf, solange das Haar noch so kurz ist.«
    Huy war beruhigt. Wenn alle Jungen im ersten Jahr wie Mädchen aussahen, würde ihn niemand für blöd halten.
    In den nächsten zwei Stunden führte Harnacht Huy durch die Welt hinter dem Re-Tempel. Er zeigte ihm die vier weiteren Höfe, darunter einen mit einzeln stehenden kleinen Häusern, Blumenbeeten und mit Wein bewachsenen Spalieren, unter denen man am großen Teich im Schatten sitzen konnte. Hier verbrachten die ältesten Jungen, die bereits Männer waren, das letzte Jahr. »Viele Schüler hören in meinem Alter auf«, erklärte Harnacht. »Dann haben sie Lesen und Schreiben gelernt und können eine andere Ausbildung zu Hause anschließen – je nach Vermögen und Stand ihrer Eltern. Doch die, die hierbleiben, werden auch in Musik, Wagenlenken und allen militärischen Künsten und Strategien bewandert sein, wenn sie die Schule verlassen. Nur wenige

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