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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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verächtlichen Grimasse. »Dein Vater hat viele Male mit ihm gestritten, aber Ker bleibt unerbittlich. Ich habe versucht, ihn mithilfe von Heruben umzustimmen, aber es ist sinnlos. Der Priester verlangt nichts für den Mohn.«
    »Mein Vater kann also trotz seiner Angst logisch denken. Ich brauche seinen Beistand. Ich sehne mich nach ihm, Mutter, und nach meinem kleinen Bruder.« Er wusste den Namen des Jungen, aber manchmal fiel er ihm nicht ein.
    »Schon bald wirst du das Bett verlassen können«, sagte Itu. »Iss die Suppe. Hast du große Schmerzen heute?«
    »Nicht sehr. Aber ich brauche mehr Mohn als vorher.«
    »Wenn Methen heute kommt, sage ich es ihm.«
    Der Priester besuchte ihn regelmäßig, saß stumm neben Huy oder beantwortete seine Fragen ehrlich. »Deine Mutter glaubt lieber, dass du fünf Tage bewusstlos warst, nachdem dich das Wurfholz niedergestreckt hat«, sagte er. »Wir wollen ihr das nicht ausreden. Aber die Sem-Priester haben recht. Sie haben Tag für Tag mit Toten zu tun. Sie kann man nicht täuschen. Du warst tot. Ich habe gesehen, wie deine Leiche vom Schiff deines Onkels ins Haus der Toten gebracht wurde. Ich habe deinen weinenden Vater gestützt. Ich bin in das Haus der Toten gegangen und habe zugesehen, wie die Sem-Priester das Blut von deinem Körper gewaschen haben. Ich habe gesehen, wie das schale Wasser zwischen deinen weißen Lippen hervorquoll. Ich habe dich sehr gemocht, weißt du. Natürlich musste ich mich hinterher reinigen, aber ich wollte sicherstellen, dass man dich im Haus der Toten mit dem nötigen Respekt behandelt, egal, was die Einbalsamierung kosten würde. Dein Onkel wollte dich in seinem eigenen Grab bestatten lassen. Er hat eine Vereinbarung mit deinem Vater getroffen, dass deine gesamte Familie eine sichere Ruhe findet und so unversehrt in das Osiris-Paradies gelangen kann.« Methen beugte sich dichter zu ihm. »Zu deinem eigenen Wohl, Huy: Belüge dich niemals selbst. Die Götter haben dich nach fünf Tagen wiedererweckt. Wo war dein Ka in dieser Zeit? Du sagst, du kannst dich nicht erinnern. Das ändert sich vielleicht. Doch bis dahin rede dir nichts ein, wie es deine Mutter tut. Sie braucht das, um in deiner Nähe sein zu können. Du musst bald eine Exorzierung machen lassen. Dann hören die Leute in der Stadt vielleicht auf, vom Töten zu sprechen, und klatschen wieder über sich selbst.«
    »Töten?« Huy war entsetzt. »Sie wollen mich töten?«
    »Sie wollen den Dämon zurück ins Reich der Schatten schicken und Huys Körper einbalsamieren und ins Grab legen. Eine Exorzierung bewirkt dasselbe, hoffe ich.«
    »Wohin haben mich die Götter gebracht? Warum haben sie mich zurückgeholt?«
    »Ihre Absicht wird deutlich werden. Sag, kannst du dich an deine Schulstunden erinnern? Kannst du einen Pinsel halten und die Hieroglyphen schreiben?«
    Huy hielt sich an dem Freund fest. »Noch nicht. Ich versuche, mich an sie zu erinnern, aber sie geraten mir immer wieder durcheinander. Außerdem bin ich körperlich noch nicht stark genug. Warum?«
    »Weil Dämonen die heiligen Zeichen nicht schreiben können, die Thot uns geschenkt hat. Ihre Heiligkeit vertreibt sie. Schreib, dann bist du dem Beweis, dass du immer noch Huy, Sohn des Hapu bist, ein gutes Stück näher.«
    »Und was ist, wenn ich es nicht bin?«, entgegnete Huy bitter. »Was ist, wenn ich bloß glaube, ich hätte noch meinen eigenen Ka?«
    Methen lehnte sich zurück. »Das ist der Weg in den Wahnsinn. Sprich deine Gebete und hab Geduld, Huy. Ich habe nicht gezögert, dich aufzuheben und zum Entsetzen deiner Eltern nach Hause zu tragen. Ich bin ein Priester. Ich hätte es in meinen Händen gespürt, wenn ich mich besudelt hätte, als ich dich in der Dunkelheit vor dem Haus der Toten in die Arme nahm.« Er stand auf. »Ich muss meinen Pflichten nachkommen. Chenti-Cheti wartet. Ich komme bald wieder und bringe dir mehr Mohn, doch angesichts deiner immer gesünderen Farbe glaube ich nicht, dass du ihn noch lange brauchen wirst.«
    Nicht lange nach diesem Gespräch wurde der Mohn abgesetzt, und Huy verbrachte mehrere schlaflose Nächte in gereizter Stimmung – und Ruhelosigkeit.
    In einer dieser Nächte, als die Beule an seinem Schädel unerträglich juckte und sein Körper voller krabbelnder Tier zu sein schien, kam das Mädchen. Huy hatte sich gerade wieder ins Bett gelegt und zog das Laken über sich, als leise Geräusche vom Fenster her zu ihm drangen. Der Schilfvorhang wurde beiseite gestoßen, und ein

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