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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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hassenden Toten zu kämpfen, und da hat ein Name viel Heka, im guten wie im bösen Sinne. Ich möchte nicht, dass die Kräfte, die ich beschwöre, um sie zu beherrschen, sich gegen mich wenden und mich überwältigen. Schreibst du mir gelegentlich, Huy? Ich würde gern wissen, wie sich dein Leben entwickelt. Das gilt auch für meinen Meister, den Re-Oberpriester. Er ist ein größerer Seher, als ich es bin.«
    »Aber wir haben uns doch nur ein einziges Mal getroffen, als ich über den Isched-Baum gestolpert bin und er mich bestraft hat«, platzte er heraus. »Wieso sollte es ihn interessieren, wie sich mein Leben entwickelt?«
    Sie beantwortete die Frage nicht. »Ich bin nicht nur eine Rechet, sondern stelle auch Anhänger und Amulette her. Ich werde dir Amulette machen, die du ständig tragen musst. Keine Angst«, beruhigte sie ihn. »Es werden Ringe sein, die du an deine Finger stecken kannst, keine Halsketten, die für einen jungen Mann lästig sein können. Und du musst mir nichts dafür bezahlen. Ah, da kommt Methen mit dem Wein.« Der Priester stellte das Tablett auf den Steinboden und wollte wieder gehen. »Trink mit uns«, lud sie ihn ein. »Ich sehe, es gibt auch Honigkuchen. Danke, Methen.«
    Es war kalter, süßer Schedeh-Wein, und er floss durch Huys ausgedörrte Kehle wie göttlicher Nektar. Kaum hatte Huy von dem Wein gekostet, erschien vor seinem inneren Auge ein so leuchtend klares Bild, dass er aufschrie. Henenu wurde ganz ruhig. »Was ist, Huy?«
    Er war so gefangen von dem Bild, dass er nicht sprechen konnte. Die Halle der beiden Wahrheiten. Der Isched-Baum. Imhotep und ein Buch, Anubis und … Ich war dort!, dachte er verblüfft. Die Waage lag hinter mir. Ich stand im Osiris-Paradies, der Duft der Blumen umgab mich, und der Fluss glitzerte. Ich war dort! Oh, ihr Götter, was hat Imhotep zu mir gesagt? Er hat mich vor eine Entscheidung gestellt, aber ich kann ihn nicht hören.
    Bebend drehte er sich zu der Rechet um, die ihn forschend ansah. »Hast du Maat gesehen?«, brachte er heraus. »War Maat zusammen mit Anubis, Thot und Selket neben mir? War sie da?« Bitte sag, dass sie da war, betete er stumm. Denn wenn sie nicht da war, bin ich in einer ganz anderen Gefahr, als diese Seherin denkt. Wenn die Maat nicht da ist, herrscht Chaos und Verwirrung und die Götter hören die Bitten der Menschen nicht.
    Henenu sah verwirrt aus. »Nein, Maat war nicht da. Aber Anubis, Thot und Selket haben dich mit ihrer Gunst umgeben, nicht mit ihren bösen Wünschen. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Huy erinnerte sich, wo er gewesen war, als sein Körper in Res Teich lag, mit dem Schiff nach Hut-Herib gebracht und auf die Bahre im Haus der Toten geworfen wurde, und er würde es nie wieder vergessen. Maat war dort gewesen, sie hatte ein Stück weg von Anubis im Schatten der Halle gestanden und ihn angesehen – wie? Warnend? Mitleidig? Er stöhnte.
    »Willst du es uns sagen?«, drängte Henenu.
    »Nicht jetzt. Ich bin sehr müde.«
    »Natürlich.« Sie erhob sich auf die Knie, legte die Hände auf Huys Kopf und sagte: »Meine Hand ist über dir. Mein Siegel schützt dich.« Huy wusste, dass diese Worte zu einem Zauberspruch zum Schutz von Kindern gehörten. Als er viel jünger war, hatte Hapsefa ihn manchmal für ihn gesagt, aber das war lange her. Mit Henenus Berührung schoss ein heißer Blitz durch seinen Körper. Sie nahm die Hände weg. »Geh nach Hause«, sagte sie sanft. »Methen geht mit dir und sagt deinen Eltern, dass alles gut ist. Bete viel und komm öfters in dieses Heiligtum, um dem Gott deiner Stadt die Ehre zu erweisen. Und wenn du bereit bist, kehr zurück in die Schule. Dort werde ich dich besuchen.«
    »Danke, Rechet. Du hast mir mein Leben zurückgegeben.«
    »Nein, Huy«, widersprach sie ihm leise. »Ich habe das nicht getan. Mögen die Sohlen deiner Füße immer fest sein. Wir werden uns wiedersehen.«

6
    Huys Vater entschuldigte sich nicht für sein Misstrauen. Er hörte Methen ausdruckslos zu, nickte einmal, umarmte kurz seinen Sohn und ging weg auf seine Felder, nachdem er sich von dem Priester verabschiedet hatte. Im Haus wurde Huy von den aufgeregten Rufen seiner Mutter und Hapsefas Lächeln empfangen, doch es war Heby, der Huy in vollem Ausmaß rehabilitierte. Das Kind tapste auf ihn zu, streckte die Ärmchen aus, und Huy hob es mit einem Freudenschrei hoch. »Ich muss sofort Ker und Heruben benachrichtigen«, sagte Itu. »Hapsefa, lass die Wäsche, und zieh deine Sandalen an. Sag

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