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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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ihnen, dass mit Huy alles in Ordnung ist und sie uns so bald wie möglich besuchen müssen. Heby, komm zu mir. Dein Bruder soll sich erst einmal ausruhen, und danach spielt er vielleicht im Garten mit dir. Oh, Huy!« Ihre Augen strahlten. »Nun können wir wieder ein normales Leben führen. Hapsefa, worauf wartest du?« Die Dienerin schlurfte davon. Huy gab seiner Mutter einen Kuss auf die heiße Wange und zog sich in sein Zimmer zurück.
    Er legte sich auf sein Bett und schloss die Augen. Zum ersten Mal seit Wochen war er entspannt und fühlte sich gesund. Die Götter werden mir mitteilen, was sie mit mir vorhaben, wenn die Zeit gekommen ist, dachte er ruhig. Ich muss mich deshalb nicht mehr quälen. Ich kann zurück in die Schule. Ich kann mit Thutmosis um den Heiligen See laufen, und wir werden uns mit dem Mitleid der Überlegenen an Sennefers unreife Dummheit erinnern. Ich vermisse meinen Freund. Es ist schön, ihn bald wiederzusehen.
    Sein Onkel und seine Tante kamen am Abend. Heruben begrüßte ihn mit einer linkischen Verlegenheit, die, so spürte Huy, von der Feigheit herrührte, die sie so lange von ihm ferngehalten hatte. Ker war ein ähnliches, aber weniger deutliches Unbehagen anzumerken. Er umarmte Huy kurz. »Es tut mir leid, dass ich dich nicht nach Iunu bringen kann«, sagte er, als sie im warmen Gras saßen und Heby einer Wolke Mücken nachjagte, die im Abendlicht rötlich schimmerte. »Ich muss mich um meine Fässer mit Jasmin-und Narzissenblüten kümmern, außerdem wartet eine Ladung Sarson-Öl auf die Hennablätter, die meine Bauern fleißig ernten. Meine Erntezeit ist lange vor der eines Getreidebauern, wie du weißt.« Er sah Huy nicht an.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Onkel«, entgegnete Huy. »Ich bin gut in der Lage, die Reise zur Schule ohne deine Aufsicht zu unternehmen. Ich könnte sogar dorthin laufen.«
    Ker grunzte. »Ja, du bist fast erwachsen. Wenn ich dich nicht sehe, vergesse ich das immer.« Er drehte sich auf die andere Hüfte und beobachtete Heby, der enttäuscht aufheulte, weil Hapsefa ihn holen wollte und Itu in der Tür erschien. »Das letzte Mal habe ich dich gesehen, als ich dich mit deinem Vater und dem Priester ins Haus der Toten trug«, fügte er hinzu und sah immer noch weg. »Wenn du je mit mir über das sprechen willst, was mit dir geschehen ist, werde ich dir vorurteilslos zuhören.«
    Aber du hast mich verurteilt, dachte Huy traurig. Du hast mich den Scheseru überlassen, den mit Pfeilen bewaffneten Dämonen, weil du Angst hattest, dich zu verunreinigen. Du bist mir immer vollkommen erschienen, ohne Fehler, doch jetzt merke ich, dass du nicht anders bist als jeder andere Mann. Ich werde in der Tat erwachsen. Warum warst du vorher, als ich dich so dringend brauchte, nicht bereit, mir zuzuhören? All das hätte er gern gesagt, aber er schluckte seinen Unmut hinunter. Nur seine Mutter hatte ihn nicht im Stich gelassen. Seine Mutter und Ischat, erinnerte er sich überrascht. Ischat auch nicht.
    »Da gibt es nichts zu reden«, log er. »Ich erinnere mich nicht daran, was geschah, nachdem ich den Schlag auf den Kopf bekommen habe. Doch ich will sowieso noch nicht gleich zurück in die Schule. Vielleicht Ende Pharniuti. Dann kann ich fast noch die ganze Schemu-Zeit am Unterricht teilnehmen. Ich werde dem Vorsteher schreiben und ihm das mitteilen.«
    Ker nickte, sagte aber nichts. Sie saßen schweigend in der Dämmerung. Huy hatte bei seinem Vater eine vorsichtige Zurückhaltung ausgemacht, die Ker offenbar teilte. Huy wusste, dass sich daran bei keinem der beiden Männer noch je etwas ändern würde, und er fühlte sich einsam.
    Trotz des glücklichen Ausgangs der Exorzierung war er rastlos und schreckte mitten in der Nacht mehrmals ohne ersichtlichen Grund angespannt und hellwach hoch. Auch tagsüber konnte er nicht lange stillsitzen. Er begann, durch die belebten Straßen von Hut-Herib zu wandern, wich beladenen Eseln, zielstrebigen Bürgern und nackten Bauernkindern aus, die ihn wie selbstverständlich mit Lehm bewarfen und beschimpften, ehe sie zu ihrem Spiel zurückkehrten. Er ignorierte sie, doch immer häufiger schlenderte er entlang den wassergefüllten Gräben, die die kleinen Felder voneinander trennten. Weizen und Gerste wogten, noch grün und biegsam, in der angenehmen Brise. An den Rändern wuchsen Margeriten, die ihre gelben Köpfchen zur Sonne gedreht hatten. Und auf den Äckern selbst zeugten die blauen Blüten von Kornblumen und wildem Lein,

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