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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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den Plan, aber Thutmosis bettelte so sehr um diesen Besuch, dass ich nur die Wahl hatte, ihn mit seinem eigenen Schurz zu knebeln oder nachzugeben.« Er lächelte. »Ich habe nachgegeben.« Er schnalzte mit den Fingern, und die Gestalt aus der zweiten Sänfte eilte zu ihm. Nascha grinste Huy an. Nacht stellte sie vor. »Meine Tochter Nascha.« Das Mädchen verbeugte sich, ihr Schmuck klimperte. Nacht deutete auf die Diener. »Meine Frau schickt dir als Entschuldigung Lebensmittel und Wein für dein Vorratshaus. Genieße sie bei guter Gesundheit.«
    Itu erholte sich langsam. Sie dankte ihm überschwänglich, zeigte auf das Haus, und die kleine Gruppe folgte ihr in das Empfangszimmer. »Huy, nach deinem Gang in die Stadt solltest du dich waschen und einen anderen Schurz anziehen«, sagte sie. »Vielleicht will Thutmosis dir Gesellschaft leisten. Sobald Hapsefa zurück ist, trinken wir Wein. Bis dahin, nimm Platz, edler Herr. Oder möchtest du lieber im Garten ruhen?«
    »Deine Mutter ist sehr schön«, erklärte Thutmosis, als sie zur Rückseite des Hauses gingen, wo die Wasserfässer standen.
    Huy war überrascht. »Ist sie das? Ich weiß es nicht.«
    Das Feuer neben der Küche war fast heruntergebrannt, aber die großen, abgedeckten Wasserbehälter waren voll. Hapsefa war nicht zu sehen. Huy hatte keine Lust, Zeit damit zu verschwenden, das Feuer wieder anzufachen und das Wasser selbst zu erhitzen, also zog er sich aus und begnügte sich mit kaltem Wasser. Danach gingen die Freunde in Huys Zimmer. Thutmosis hüpfte sofort auf das Bett, verschränkte die Arme und sah zu, wie Huy einen sauberen Schurz aus der Kiste nahm, ihn rasch umlegte und in seine besten Sandalen schlüpfte.
    Von fern drang Stimmengemurmel herein. Huy hörte seine Mutter lachen und wusste, die entspannte Situation war Nachts Unterhaltungskünsten zu verdanken. Den Blick auf Thutmosis’ erwartungsvolles Gesicht geheftet, nahm er sich den Stuhl.
    »Wir haben ein paar Augenblicke, ehe dein Vater kommt«, sagte Thutmosis. »Ich will alles wissen, Huy. Merkwürdige Gerüchte machen die Runde in Iunu. Leute, die dummen Klatsch lieben, behaupten sogar, die Götter hätten dich von den Toten auferweckt.« Er schürzte die Lippen und sah Huy finster an. »Ich muss sagen, du siehst erstaunlich gesund aus. Du bist gewachsen. Aber du hast einen bestimmten Zug an dir … etwas Neues …« Er zuckte die Achseln. »Nach dem Schlag, den du abbekommen hast, war das zu erwarten. Ich war zu schwach, um dich allein aus dem See zu holen, weißt du. Sennefer und Samentuser waren weggerannt. Ich bin ins Wasser gesprungen und habe um Hilfe geschrien. Zwei Priester kamen, aber nicht sofort.« Sein Blick senkte sich. »Bis wir dich draußen auf die Steinplatten legten, warst du weiß, deine Lippen waren blau und deine Augen offen. Deine Augen waren offen!« Unsicherheit und Flehen huschten über sein Gesicht, und Huy sank das Herz. Nicht du auch!, dachte er bedrückt. Liebe mich, ohne zu heucheln, Thutmosis. Ich bin einsam und brauche dein uneingeschränktes Vertrauen!
    »Ich werde dir alles erzählen«, sagte er, »aber du musst mir schwören, dass du kein Wort weitersagst. Unsere Freundschaft hängt davon ab. Du bist der Einzige, der die ganze Geschichte erfährt.«
    Thutmosis hob das Amulett auf seiner Brust hoch. »Ich schwöre es bei Thot, dem Namensgeber unseres geliebten Königs«, antwortete er. »Du bist für alle Zeiten mein Freund, Huy. Ich werde dich nicht hintergehen.«
    Also berichtete Huy dem aufmerksam lauschenden Thutmosis alles, von dem Moment, als er in den bodenlosen Brunnen fiel, bis zum Ende der Begegnung mit der Rechet. Und während er sprach, waren seine Erinnerungen nicht nur lebhaft, sondern erstmals auch nahtlos. Es handelte sich nicht mehr um Fetzen – mit einer Ausnahme. Er sah, wie sich Imhoteps Mund bewegte, aber er konnte sich nach wie vor nicht an die Worte des ehrwürdigen Mannes erinnern. Vorhanden war nur das bange Wissen, dass er vor eine folgenschwere Wahl gestellt worden war und die auch getroffen hatte.
    Thutmosis hörte zu, und seine großen Augen wurden noch größer, wenn in ihnen Ehrfurcht, Erstaunen und gelegentlich Verwirrung aufschienen. Doch zu seiner unendlichen Erleichterung entdeckte Huy nie Unglauben in den sanften Zügen seines Freundes.
    Huy endete. Thutmosis sah ihn lange bewegungslos an, die Arme noch immer verschränkt. Dann schüttelte er den Kopf. »Würde ich dich nicht schon so viele Jahre kennen, würde ich

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