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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Huy. Sie steht dir nicht.« Ihr Ton war scharf geworden.
    »Das ist keine Bescheidenheit, Rechet«, entfuhr es Huy. »Es entspringt einem Gefühl von Unwirklichkeit. Irgendwie muss ich lernen, diesen Fremdkörper zu akzeptieren, der wie … wie ein Parasit in mir haust.«
    »In dir haust? Ein Parasit? Lieber Huy, dieser ›Fremdkörper‹, wie du so blasphemisch sagst, gehört jetzt mehr zu dir als das Blut in deinen Adern, ist realer als alles, was du in deinem weiteren Leben hörst, siehst oder fühlst.« Sie beugte sich zu ihm. »Du musst anfangen, die Gabe zu verstehen, willkommen zu heißen, dich mit ihrem Zweck vertraut zu machen. Wenn du weiterhin gegen sie ankämpfst, wird sie dich zerstören.« Sie nahm einen Leinenbeutel, der im Schatten neben ihrem Stuhl gelegen hatte, und löste die Schnur. »Ich habe zwei Amulette für dich gemacht. Das Seelenamulett schützt dich davor, dass Körper und Geist getrennt werden, ehe die richtige Stunde für deine Einbalsamierung gekommen ist. Und der Frosch ist das Zeichen der Auferstehung. Mehr brauchst du nicht.«
    Ehrfürchtig nahm Huy das kleine Bündel, das sie auf seine Handfläche legte, und schrie dann auf: »Rechet, sie sind ja aus Gold! Mit eingelegtem roten Jaspis und der Frosch …«
    Sie lachte laut vor Freude. »Für die Augen des Kerer habe ich Lapislazuli genommen. Hattest du nicht erzählt, dass sich dein Haarschmuck von einem hölzernen in einen goldenen Frosch mit Lapislazuli-Augen verwandelt hatte, als du aus dem See gestiegen warst und über den Tempelvorplatz gingst? Das passt.«
    Huy bewunderte die Schmuckstücke von allen Seiten. Das Seelenamulett bestand aus einem schlanken Falkenkörper, auf dem ein Menschenkopf saß, der wissend lächelte. Schließlich steckte er beide Ringe an die linke Hand.
    »Über die Kosten musst du dir keine Gedanken machen«, fuhr Henenu energisch fort. »Ich bin eine wohlhabende Frau. Der Oberpriester ist nicht nur mein Freund, sondern auch mein Bruder, und unser Blut ist aristokratisch. Auch wenn mir das nichts bedeutet. Wie ihm, wie dir, geht es mir nur darum, den Göttern zu dienen. Wenn du mich belohnen willst, dann weissage für jene, die ich zu dir schicken werde. Aber erst später, wenn du Besonnenheit gewonnen hast.« Sie bückte sich, nahm ihren Stab auf und erhob sich. Dann kam sie dicht an ihn heran und legte ihre Hand an seine Wange. »Ich bin eine einfache Frau und beschränke mich auf meine eigene einfache Gabe«, sagte sie sanft. »Das Buch Thot ist zu schwierig für mich. Doch meine Aufgabe ist es, dich zu schützen. Ich möchte meine Warnung der von Ramose hinzufügen: Lass dich von keinem Menschen zum Spielzeug machen – nicht von ihm, nicht von mir, nicht einmal vom Pharao. Viele werden versuchen, deine Gabe für ihre Zwecke einzusetzen, und manchmal wird es dir so erscheinen, als wären das gute Zwecke, aber deine eigentliche Herrin ist Maat, und dein Herr ist Thot. Und jetzt lauf in deine Kammer. Und denk an meine Worte.«
    »Rechet«, sagte Huy mit klarer Stimme, »an deinem Steißbein bildet sich eine Eiterbeule. Misch ein Ro Alraunwurzelöl mit zwei Ro Palmwein. Reib die Stelle sieben Tage lang damit ein, dann trag eine Salbe aus Myrrhe und Honig auf. Danach bist du geheilt.«
    Einen Moment lang herrschte eine verblüffte Stille, dann atmete Henenu hörbar aus und nickte. »Deshalb habe ich eine gewisse Steifheit verspürt. Damit hat deine Gabe noch eine weitere Dimension gezeigt! Danke, Huy.« Huy hatte nur eine dumpfe Schicksalsergebenheit überkommen, als das Wissen klar und eindeutig durch ihre Finger geflossen war und die Rezeptur aus seinem Mund quoll. Er verbeugte sich höflich vor Henenu und eilte aus dem Raum.
    In seiner Kammer war es dunkel, als er erschöpft dort ankam. Thutmosis wurde wach. »Oh, die Lampe ist ausgegangen«, sagte er schläfrig. »Tut mir leid, Huy. Wo warst du?«
    Huy zog Schurz und Lendentuch aus und kroch dankbar unter sein Laken. »Im Quartier des Oberpriesters. So, wie es aussieht, übernimmt der Tempel meine Schulkosten vollständig.«
    »Gut! Das bewahrt mich davor, meinem Vater für den Fall, dass er nicht für dich einsteht, einen Fluch anzudrohen! Allerdings wäre das sicher nicht nötig gewesen. Vater hat die Angelegenheit bereits mit Mutter und seinem Schatzmeister besprochen.« Eine kurze Pause entstand. Huy griff nach seinen Amuletten. »Hat das mit deiner Gabe zu tun, Huy?«
    »Ja«, antwortete Huy gepresst. »Ich soll unter Anleitung des Oberpriesters

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