Der Seher des Pharao
keinen von euch übernehmen kann, habe ich mich nach langem Zögern entschlossen, die Zuwendungen, die du genossen hast, auf Heby zu übertragen.« An meiner Stelle, dachte Huy bitter und ließ den Papyrus in den Schoß sinken. Obwohl mein Leben durch Sennefers Arm zerstört wurde und mir nichts vorzuwerfen ist, kann Ker seine Angst vor mir nicht überwinden. Er möchte weder sein persönliches Ansehen noch das als Geschäftsmann durch irgendeine Verbindung zu mir besudeln, die sich später als nachteilig erweisen kann. Oh, Ker, wer weiß, was die Zukunft für dich bringt! Es wäre ein Leichtes für mich, das bei meinem nächsten Besuch herauszufinden! Er kämpfte das unwürdige Verlangen nieder und entrollte den Papyrus erneut. »Deine Tante und ich lieben dich sehr, aber wir sind nach wie vor beunruhigt über das, was mit dir geschehen ist, und ich muss ernsthaft in Erwägung ziehen, dass dein gesundheitlicher Zustand sich jederzeit verschlechtern kann und meine Aufwendungen vergeblich waren. Heby wird nicht die Schule in Iunu besuchen, sondern die kleinere Tempelschule hier in Hut-Herib.« Für wie dumm hältst du mich eigentlich?, fuhr er seinen Onkel innerlich an. Heby kann an hundert Krankheiten gestorben sein, ehe er mit seinem Beutel von Bord deiner Barke geht und unter der Obhut eines älteren Schülers in eine Kammer zieht, wie ich es getan habe! »Der Oberpriester Methen und dein Vorsteher haben sich darauf geeinigt, dass du weiter in Iunu bleiben kannst, wenn Methen den Großteil der Kosten übernimmt. Wegen des Rests wird sich der Vorsteher an den Oberpriester Ramose wenden. Die beiden Männer glauben anscheinend, dass du eines Tages Ägypten von Nutzen sein wirst. Man wird dich rufen, damit du die Angelegenheit mit Ramose besprechen kannst. Ich erwarte keine Antwort auf diesen Brief.« Er war von Ker selbst unterzeichnet.
Warum nicht?, fragte sich Huy traurig als er den Papyrus zusammenrollte. Denkst du, schon der Umstand, dass meine Hand den Papyrus beim Schreiben berührt hat, reicht, um einen schrecklichen Fluch über dich zu bringen? Einen Moment lang sehnte er sich schmerzlich nach der Vergangenheit, nach dem offenen Lachen des Onkels, seinem Humor und seiner bedingungslosen Zuneigung, die der kleine Junge für selbstverständlich genommen hatte, dann stand er auf, ging in seine Zelle und legte den Brief in seine Truhe. Er war versucht, ihn wegzuwerfen, so sehr fühlte er sich verraten, aber ein Teil von ihm verstand auch die allzu menschliche Schwäche des Onkels. Ker war kein Gott. Er war einfach ein netter Mann, ein guter Mann, der mit Umständen konfrontiert war, die er nicht verstand. Aber egal, sagte sich Huy auf dem Weg zum See, wo er trotz einer allgegenwärtigen Angst seine Schwimmübungen fortführen wollte, meine weitere Ausbildung ist gesichert. Ich muss Methen sofort schreiben und ihm danken. Und was den Vorsteher angeht, nehme ich an, dass er mir zum Ausgleich irgendeine Sonderaufgabe auferlegt. Wenigstens muss ich nicht wie ein armer Bauer Thutmosis’ Vater um den Gefallen bitten.
Am nächsten Abend hatte Huy, der im Schneidersitz mit der Lampe neben sich auf dem Boden saß, gerade den Brief an den Chenti-Cheti-Priester beendet und wollte mit Thutmosis, der auf dem Bett hockte, Senet spielen, als ein Diener hereinkam, den Huy noch nie zuvor gesehen hatte, und ihn mit einer herrischen Geste zum Mitkommen aufforderte. Huy erkannte die FalkenTätowierung auf seinem Unterarm, als er aufstand und dem Mann in das Zwielicht des frühen Abends folgte. Offenbar war er ein Bediensteter der Re-Priester. Huys Mutmaßung bestätigte sich, als sein arroganter Führer den Schulbereich rasch verließ und in die Priesterquartiere ging. Seit dem Tag, an dem er vor Pabast geflohen und unter dem Isched-Baum gelandet war, hatte Huy diesen Bereich nie wieder betreten. Wortlos bogen sie in den Gang mit den Kammern der Priester und gingen weiter, bis sie vor die Doppeltür gelangten, an die sich Huy nur allzu gut erinnerte. Der Diener klopfte, bedachte Huy mit einem unerwartet warmen Lächeln und verschwand auf dem Weg, den sie gekommen waren.
»Herein«, ertönte eine gedämpfte Stimme. Huy schluckte, drückte die dicke Holztür auf und betrat die Gemächer des Oberpriesters.
Dort erwarteten ihn zwei Personen. Die eine war der Oberpriester selbst. Er saß an einem Tisch, der mit Schriftrollen bedeckt war. Die andere war die Rechet.
Mit einem glücklichen Aufschrei verbeugte sich Huy tief vor den
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