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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Ich hocke nicht in der Dunkelheit.« Er setzte sich an den Tisch. »Hast du die drei Festtage genossen? Ich denke schon«, fügte er hinzu. »Nachts Heim ist gemütlich und gastfreundlich, nicht wahr? Gib mir deine Hand.«
    Leicht beunruhigt streckte Huy sie aus, und der Oberpriester nahm sie fest in beide Hände. Sofort durchfuhr Huy ein Schock, und Feuer stieg durch den Arm in seine Brust. Einige Augenblicke lang nagelte der Priester seine Augen mit seinem Blick fest, dann ließ er Huy los und lehnte sich zurück. Huy fiel fast vom Hocker, so schnell ließ die Hitze nach.
    »Jeder Re-Oberpriester trägt auch den Titel Größter der Seher«, erklärte Ramose, »genau wie der Titel Größter der Fünf zum Thot-Oberpriester in Chmunu gehört. Manchmal ist der Titel, den ich habe, nicht nur ein Ehrentitel. Ich besitze die Gabe des zweiten Gesichts. Aber die ist nichts im Vergleich zu der Gabe, die die Götter dir verliehen haben. Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Und ich kann auch keine Krankheiten erkennen. Aber ich kann einem Menschen ins Herz blicken und sehen, ob es gesund oder morsch wie wurmzerfressenes Holz ist. Und ich kann den Ort seines Glücks oder seines Kummers ausmachen.« Er verschränkte seine beringten Finger und legte sie auf den Tisch. »Du hast dich verliebt, junger Mann. Ich glaube nicht, dass es sich um Nascha handelt. Sie ist zu kraftvoll und laut. Sie stört das Ding in dir, das Ruhe verlangt. Nein, es ist die süße Anuket, die Girlanden für die Götter flicht, die deinen Körper und Geist eingenommen hat. Das tut mir leid für dich.«
    Huy lachte zittrig auf. »Es ist eine Erleichterung, dass meine Seele ohne ein Wort von mir offen vor dir liegt, Meister. Ich wollte es dir sagen und dich um Rat fragen, nun brauche ich nur noch den Rat und nicht mehr den Mut, meine Schwäche zu bekennen.«
    »Schwäche?« Ramose sah Huy von der Seite an. »Liebe ist keine Schwäche, und die Flamme, die dich verzehrt, ist rein, solange sie nicht durch Unbesonnenheit besudelt wird. Nur Anukets Name ist befleckt. Deshalb habe ich beinahe einen Freund verloren.«
    »Du warst einer der Astrologen, die ihren Namen bestimmt haben?«
    Ramose nickte. »Wir haben ihr Horoskop dreimal gestellt. Jeder Zweifel war ausgeschlossen. Ich habe die sieben Hathors gebannt, um die Gefahren zu umgehen, die ihr ein solcher Name bringen könnte, und wir haben die sieben roten Schleifen sieben Tage lang um ihre Gliedmaßen gebunden, um jeden üblen Ba, der auf sie lauern konnte, festzuhalten, aber der Name musste bleiben. Nacht war wütend. Doch …«, er löste die Finger und legte die Handflächen auf den Tisch, »… bislang ähnelt Anuket der alten Wassergöttin, nicht der zügellosen Hure, zu der diese heute geworden ist. Sie ist intelligent, sittsam und keusch. Brauchst du meinen Rat?«
    »Unbedingt.« Huy schluckte. »Nascha hat mich damit verspottet, dass ein Seher seine Kraft verlieren würde, wenn er nicht jungfräulich bleibt. Stimmt das?«
    Ramose hob die Augenbrauen. »Dich verspottet? Ja, ich verstehe, warum. Nascha ist schön, aber hitzig und eigenwillig. Nacht hat Schwierigkeiten, einen Ehemann für sie zu finden, der stark genug ist, sich gegen ihre Entschlossenheit zu stellen, ihren Respekt zu erlangen und zu behalten.« Er grinste und wirkte dabei um Jahre jünger. »Bis jetzt hat sie jeden in die Flucht geschlagen.«
    »Das wusste ich nicht«, rief Huy. »Davon hat mir Thutmosis nichts gesagt.«
    »Ich bezweifle sehr, dass Nacht seinen kleinen Sohn hinsichtlich der Heiratsaussichten seiner Töchter ins Vertrauen zieht«, sagte Ramose trocken. »Ich erzähle es dir nur, damit du Nascha nicht zu hart beurteilst. Ihr Herz ist großmütig und gütig, aber es wird sie verletzen, dass Anuket angebetet wird, selbst von einem Jüngling wie dir.« Er hob den Arm, um Huys Protest abzustoppen. »Das ist keine Beleidigung, Huy, das ist die Wahrheit. Du bist zwölf. Du bist in den Fängen einer ersten Liebe. Entweder dauert sie nur ein paar Monate, oder sie vertieft sich. Ist Letzteres der Fall, werde ich deine Frage beantworten. Jetzt musst du das noch nicht wissen. Hab keine Angst. Genieß das Gefühl. Danke den Göttern dafür. Es ist heilig. Freu dich an Anukets Gegenwart mit all deinen Fähigkeiten, außer der einen. Sie zu benennen, ist aus naheliegenden Gründen nicht nötig, oder?«
    Huy schüttelte traurig den Kopf. »Nein, Meister.«
    »Gut.« Ramose lächelte. »Dann wollen wir uns deiner unmittelbaren Zukunft

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