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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Ordnung, wenn wir jetzt, wo wir allein sind, darüber sprechen, Huy? Darf ich dir sagen, was ich denke?«
    Jetzt war es Huy, der die Grimasse zog. »Nur wenn du meinst, dass ich eine Chance habe, sie für mich zu gewinnen«, versuchte er zu scherzen.
    Thutmosis lächelte nicht. »Es ist unwahrscheinlich, dass Vater einer Verlobung zwischen dir und Anuket zustimmt«, begann er ernst. »Er mag dich sehr, er schätzt unsere Freundschaft, und er freut sich immer, wenn du in sein Haus kommst. Aber auch, wenn du reich würdest, bleibt die Frage der Abstammung. Vergib mir. Mir bedeutet sie nichts. Die meiste Zeit vergesse ich deine Herkunft, aber Vater wird das nicht tun. Anuket wird einen Adeligen heiraten.« Als er Huys Gesichtsausdruck sah, fuchtelte er gequält mit den Händen herum. »Das hat nichts mit Liebe oder Verdienst zu tun! Ich verletze dich nicht absichtlich, Huy! Und verliebt zu sein, ist nicht lächerlich. Doch bist du wirklich verliebt oder ist es nur eine Vernarrtheit, die vorübergeht? Du kennst Anuket nicht gut genug. In dieser Hinsicht tut das keiner von uns. Sie ist allen gegenüber distanziert.«
    »Vernarrtheit?« Huy lachte heiser. »Götter, ich hoffe es! Dieses Gefühl ist so schmerzhaft, Thutmosis, und kam so unerwartet. Ich wollte es nicht, es hat mich urplötzlich überfallen. Warst du schon einmal verliebt?«
    »Bislang nicht. Vergiss nicht, dass wir beide noch sehr jung sind. Meine Mutter sagt, verliebt zu sein, ist Teil des Erwachsenwerdens und hat nichts mit der richtigen Gattenwahl zu tun. Hat dir Anuket irgendwie zu verstehen gegeben, dass sie deine Gefühle erwidert?«
    Huy seufzte. »Ich bin mir nicht sicher. Meist behandelt sie mich freundlich, aber zurückhaltend. Sie scheint sich in der Tat sehr in der Gewalt zu haben. Vielleicht hat sie Angst vor den Auswirkungen, die ihr Name haben könnte. Namen werden sorgfältig ausgewählt und haben viel Macht, wie du weißt.« Er sah Thutmosis direkt an. »Trotzdem hat sie mir die Herkunft ihres Namens anvertraut. Da hat sie ihr Visier für einen Moment gelüftet. Das beweist Vertrauen. Und Vertrauen ist ein Element von Liebe, oder?« Er klang allmählich verzweifelt, aber das war ihm egal.
    Thutmosis nickte. »So heißt es. Aber Huy, auch wenn Anuket keusch ist, heißt es nicht, dass sie frei von der List ist, die allen Mädchen angeboren zu sein scheint. Du hast keine Schwestern. Ich habe drei davon, und du kannst mir glauben, sie haben es von kleinauf geschafft zu bekommen, was sie wollten, und dabei nach außen lieb und brav gewirkt.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Zweierlei. Zum einen könnte es sein, dass Anuket dich mit ihrem Bekenntnis abschrecken wollte. Zum anderen müssen wir abwarten, ob deine Gefühle wachsen oder absterben.« Er nahm Huys Hand und sah ihn ernst an. »In jedem Fall ist meine Schwester ein Glückskind, das von jemandem geliebt wird, der so viele gute Seiten hat.«
    Kaum waren sie in ihrer Kammer angekommen und hatten mit dem Auspacken begonnen, erschien ein junger Priester in der Tür. »Der Meister wünscht, dass du sofort in seine Räumlichkeiten kommst, Huy«, sagte er mit einer Verbeugung. »Soll ich dich begleiten?«
    Huy seufzte. »Nein. Ich kenne den Weg inzwischen.« Der Mann ging, und Huy stellte das Zedernholzkästchen auf sein Bett, öffnete den Deckel und legte das Fayence-Fläschchen ehrfürchtig in eines der Fächer. Anschließend schob er das Geschenk des Onkels wieder auf seinen angestammten Platz unter dem Bett und drehte sich zögernd zu Thutmosis um. »Ich nehme an, du gehst schwimmen und legst dich ins Gras«, sagte er sehnsüchtig. »Ich weiß nicht, wann ich zurückkomme.«
    »Wenigstens weißt du, dass nicht wegen einer Strafe nach dir geschickt wurde«, antwortete Thutmosis mitfühlend. »Meinst du, dies ist der Tag, Huy?«
    Huy brauchte Thutmosis nicht zu fragen, was er meinte. Achselzuckend machte er sich auf den Weg über den Hof.
    Der Oberpriester selbst öffnete auf Huys Klopfen die imposante Doppeltür, die in Huy immer noch ein ungutes Gefühl auslöste, wenn er sich ihr nähern musste. Lächelnd winkte ihn der Mann herein, und zu Huys Überraschung war der Raum lichtdurchflutet von den Sonnenstrahlen, die durch eine Reihe von Fenstern direkt unter der Decke hereinfielen. Ramose gluckste. »Ich liebe das Tageslicht ebenso sehr oder vielleicht noch mehr als jeder andere Mann«, erklärte er, als Huy den Hocker zu dem großen Arbeitstisch trug. »Schließlich bin ich Re-Priester.

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