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Der Seher

Der Seher

Titel: Der Seher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Augen verrieten noch, daß in seinem Innern etwas Entscheidendes fehlte.
    Salbungsvoll sagte Lombroso: »Mr. Carvajal war einer der großzügigsten Geldgeber unseres Wahlkampfes«, und warf mir dabei einen lieblich-süßen Blick zu, der ungefähr sagte: Sei nett zu ihm, Lew, wir wollen noch mehr von seinem Gold.
    Daß dieser graue, elend aussehende Fremde ein vermögender Wahlkampfspender sein sollte, eine Person, der man schmeicheln und schöntun und Eintritt in das Heiligtum eines vielbeschäftigten Politikers gewähren mußte, erschütterte mich tief, denn selten hatte ich jemanden so gründlich verkannt. Doch gelang mir ein höfliches Grinsen, und ich sagte: »In was für einem Geschäft sind Sie, Mr. Carvajal?«
    »Investments.«
    »Einer der geriebensten und erfolgreichsten privaten Spekulanten, die ich je kennen gelernt habe«, bemerkte Lombroso.
    Carvajal nickte selbstzufrieden.
    »Sie verdienen sich Ihren Lebensunterhalt ausschließlich an der Börse?« fragte ich.
    »Ausschließlich.«
    »Ich habe nicht geglaubt, daß jemand dazu tatsächlich imstande ist.«
    »Oh, doch, doch, es geht«, sagte Carvajal. Seine Stimme war dünn und ausgedörrt, ein Grabesmurmeln. »Man braucht dazu nur ein hinlängliches Verständnis von Trends und ein bißchen Mut. Sind Sie nie an der Börse gewesen, Mr. Nichols?«
    »Ein bißchen. Habe mich nur sehr oberflächlich damit befaßt.«
    »Waren Sie erfolgreich?«
    »Erfolgreich genug. Ich verstehe selbst einiges von Trends. Aber ich fühle mich nicht mehr wohl, wenn die wirklich wilden Fluktuationen losgehen. Zwanzig rauf, dreißig runter – nein, danke. Ich mag Sicherheit, glaube ich.«
    »Ich genauso«, erwiderte Carvajal und gab seiner Bemerkung einen geringfügigen Nachdruck, die Andeutung einer Bedeutung hinter der Bedeutung, die mich verwirrte und mich unbehaglich berührte.
    Gerade in diesem Augenblick läutete ein süßes Glöckchen in Lombroses innerem Büro, zu dem ein kurzer Korridor links von seinem Schreibtisch führte. Ich wußte, daß das ein Anruf des Bürgermeisters war; die Sekretärin legte Quinns Anrufe stets in das Hinterzimmer, wenn Fremde bei Lombroso waren. Lombroso entschuldigte sich und ging mit schnellen, schweren Schritten, unter denen der teppichbedeckte Boden bebte, zum Telefon im anderen Zimmer. Mit Carvajal allein zu sein, war plötzlich überwältigend beklemmend; meine Haut kribbelte, und ich fühlte einen Druck an der Kehle, als woge eine machtvolle übersinnliche Ausstrahlung unwiderstehlich von ihm zu mir herüber, nachdem die neutrale Gegenwart Lombrosos sie nicht mehr dämpfte. Ich konnte nicht bleiben. Ich entschuldigte mich ebenfalls und folgte hastig Lombroso ins andere Zimmer hinüber, eine enge, ellbogenbreite Höhle, die vom Fußboden bis zur Decke mit Büchern gefüllt war, schweren, verzierten Folianten, bei denen es sich um Talmuds oder um gebundene Exemplare von Moodys Aktien- und Pfandbriefmagazinen handeln mochte: Wahrscheinlich waren sie eine Mischung aus beidem. Lombroso, den mein Eindringen überraschte und ärgerte, wies wütend mit dem Finger auf seinen Telefonschirm, auf dem ich Bürgermeister Quinns Kopf und Schultern erkennen konnte. Aber statt wieder zu gehen, präsentierte ich einen wilden Schwall von Verbeugungen, Handzeichen, Achselzucken und idiotischen Grimassen, und Lombroso mußte schließlich den Bürgermeister bitten, einen Moment zu warten. Das Bild erlosch.
    Lombroso funkelte mich an. »Also?« sagte er. »Was ist los?«
    »Nichts. Ich weiß nicht. Es tut mir leid. Ich konnte es da drinnen nicht aushallen. Wer ist das, Bob?«
    »Genau, was ich dir gesagt habe. Großes Geld. Starker Quinn-Förderer. Wir müssen ihm schöntun. Lew, du siehst, ich bin am Telefon. Der Bürgermeister will wissen…«
    »Ich will mit dem Kerl nicht allein sein. Er ist wie ein wandelnder Toter. Macht mich gruseln.«
    »Was?«
    »Ich meine es ernst. Es ist so, als käme eine kalte, tödliche Kraft von ihm. Ich bekomme eine Gänsehaut. Er hat eine Ausstrahlung, die zum Fürchten ist.«
    »O Gott, Lew.«
    »Ich kann mir nicht helfen. Du weißt, daß ich für so etwas eine Nase habe.«
    »Er ist ein harmloser alter Knacker, der viel Geld an der Börse gemacht hat und unseren Mann mag. Das ist alles.«
    »Was will er hier?«
    »Dich kennen lernen«, sagte Lombroso.
    »Das ist alles? Einfach nur mich kennen lernen?«
    »Er wollte unbedingt mit dir sprechen. Er sagte, es wäre sehr wichtig für ihn, mit dir zusammenzukommen.«
    »Was will

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