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Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerri Russell
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Wolkendecke auf, und die Sonne kam zum Vorschein, um das freie Feld und den Wald in goldenes Licht zu tauchen. Die Äste bildeten vor dem grauen Hintergrund ein unheimliches Relief, das die Bäume wie die Knochen uralter Skelette aussehen ließ. Isobel geriet ins Stocken. Dienten diese knorrigen Schöpfungen der Natur als Wächter gegen Eindringlinge, oder würden sie zwei Frauen auf der Flucht vor dem sicheren Tod Schutz bieten?
    »Schnell!«, rief Fiona ihr über die Schulter zu, während sie die ersten Bäume erreichte.
    Isobel rannte einfach drauflos, auch als sie längst im Wald angelangt war. Sie stolperte dort über einen abgebrochenen Ast und da über eine Wurzel, bis sich ihre Augen an die Düsternis gewöhnt hatten. Der Wald roch nach Erde und verrottendem Laub, in der Luft hing der Geruch von Regen. Isobel atmete in kurzen, hastigen Zügen, während sie weiterlief.
    Vor ihr hielt Fiona an, stützte sich auf den Knien ab und rief keuchend: »Ich … muss … einen Moment … Pause machen.«
    Die gleichsam nach Luft ringende Isobel blieb stehen und war froh über diese Verschnaufpause. Allerdings waren sie noch nicht in Sicherheit, und sie konnten es sich kaum leisten, wertvolle Augenblicke zu verlieren, indem sie eine Rast einlegten. »Wir … müssen … weiter.«
    Plötzlich löste sich ein Schatten von einem Baumstamm ganz in der Nähe. »Für meine Zwecke seid Ihr weit genug gekommen.« Es war eine tiefe, volltönende Stimme, die finster genug klang, dass Isobel sich wünschte, mit der Dunkelheit eins zu werden.
    Sie hörte ein raues Gelächter, als sich der Mann ihnen näherte. »Vielen Dank, Lady Fiona. Ich hätte das Ganze nicht besser planen können.«
    Fiona richtete sich auf. Ihr Gesicht war blass, und an den Wangenknochen wirkte ihre Haut nahezu durchscheinend. Angst blitzte in ihren Augen auf, als sie zwischen dem Mann und Isobel hin und her schaute. »Ich werde sie Euch nicht übergeben.«
    »Das sieht der Plan aber nicht vor«, erwiderte er kühl.
    »Pläne ändern sich«, gab Fiona trotzig zurück.
    Über ihnen tat sich wieder eine Lücke in der Wolkendecke auf, so dass der Wald einmal mehr in das goldene Licht der Sonne getaucht wurde. Der Mann drehte sich zu Isobel um. Beim ersten Blick in sein Gesicht, in seine dunklen stechenden Augen stockte ihr der Atem. Es gab keine Zweifel, wessen Augen das waren, denn sie kannte aus ihrem Spiegelbild die viel sanftere Version.
    Eine Böe fegte durch den Wald und zerrte an Isobels offenem Haar. Furcht ließ sie erstarren, während sie den Mann anblickte, den sie mehr fürchtete als jeden anderen. Ihren Vater.
    »Lord Grange«, flüsterte sie, ehe ihr bewusstwurde, dass sie seinen Namen nicht nur gedacht, sondern auch ausgesprochen hatte.
    Er verzog den Mund zum Anflug eines Lächelns. »Wie kurios, dass eine Tochter ihren eigenen Vater erkennt, noch bevor er ihr vorgestellt wurde.«
    Ja, sie kannte ihn. Oder besser gesagt: Sie wusste von seiner Boshaftigkeit, seiner Verschlagenheit, seiner Heimtücke. Aus erster Hand hatte sie miterlebt, wie er ihre Mutter zerstörte. Sie wusste, was er Wolf im Wald angetan hatte, wie er seine eigenen Leute rücksichtslos für seine Zwecke ausnutzte und sie misshandelte. Doch das war längst nicht alles, denn mit einem Mal wurde ihr bewusst, was hier eigentlich ablief. Ihr kam es vor, als hätte man sie ins Gesicht geschlagen. Ihr Blick wanderte zu Fiona. »Das alles war nur eine Falle?«
    »Das wusste ich nicht«, rief sie zerknirscht und erschreckt zugleich. »Ich wollte Euch nur bei der Flucht helfen.«
    »Warum, Fiona? Ich verstehe noch immer nicht, warum Ihr mir bei der Flucht helfen wolltet.«
    »Eifersucht machte mich zur Mörderin.« Der Schmerz in Fionas Augen ließ Isobels Atem stocken. »Wie soll ich damit leben? Wie soll ich mit dem Wissen leben, dass ich eine verabscheuenswürdige Person bin?« Fiona stolperte auf sie zu. »Indem ich Euch helfe, gibt es vielleicht Hoffnung für mich. Ich möchte mich ändern, das müsst Ihr mir einfach glauben.«
    Isobel wusste nicht, was sie noch glauben sollte, während sie zwischen den beiden hin und her sah.
    Grange grinste zynisch. »Ihr wurdet schon immer für Eure geleisteten Dienste bezahlt, Fiona. Eure Moral war nie Teil einer Abmachung. Und nun geht zur Seite. Sie gehört mir.«
    Wie eine Spinne kam ihr Vater auf sie zugestakst.
    »Bleibt, wo Ihr seid«, warnte Isobel. »Haltet Euch von mir fern!«
    »Und wenn ich das nicht tue? Willst du dann schreien?«

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