Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
Pferde. Seine Männer sind auf dem Weg hierher, und sie kommen Euretwegen.«
In diesem Moment vernahm sie laute Hufschläge dicht vor dem Burgtor. Das Tor hatte sie offen gelassen, um ihren Gegner zu sich zu locken. Ihr Herzschlag pulsierte ihr in den Ohren, während sie den Burghof nach ihrer Armbrust absuchte.
»Eure Armbrust wird Euch jetzt nicht helfen, nicht bei so vielen Gegnern.«
Isobel wusste, dass Fiona Recht hatte. Sie war bereit gewesen, sich einem einzelnen Widersacher zu stellen, aber nicht einer ganzen Gruppe.
Ein Blitz zerriss die Dunkelheit, unmittelbar vom Donner gefolgt, der die Laute der verängstigten Tiere ebenso übertönte wie die Rufe der Angreifer, die Isobel jetzt auf ihren Pferden sehen konnte. Im Halbdunkel wirkten sie wie mystische Figuren, die aus dem Nichts auftauchten.
»Dann helft mir«, forderte sie Fiona auf. Ihre Chancen standen besser, wenn sie versuchen musste, einer einzelnen Frau zu entwischen, nicht aber einem Dutzend oder mehr Männer.
Fiona machte kehrt und eilte durch die Schatten zum südöstlichen Turm, Isobel war dicht hinter ihr. Im Turm angekommen, verschloss und verriegelte Fiona die Tür hinter ihnen, dann lief sie die steinerne Wendeltreppe hinauf. »Hier entlang.«
Das Gefühl drohenden Unheils ließ Isobel innehalten. Sie legte die Handfläche auf die Tür und konnte die Hufschläge der Pferde auf dem Burghof spüren. Waren dort Freunde oder Feinde eingetroffen? Ihr fiel es immer schwerer, beide Gruppen noch sicher voneinander zu unterscheiden.
»Beeilt euch«, drängte Fiona und zog besorgt die zarten Augenbrauen zusammen.
Isobel hob den Saum ihres Kleides hoch und rannte die Stufen hinauf. Aus dem Raum über ihr hatte Fiona in der Zwischenzeit ein Seil geholt. »Wir müssen uns von der Außenmauer hinunterlassen, weil die Männer nicht lange brauchen werden, bis ihnen klar wird, dass Ihr gar nicht hier seid. Wir müssen uns beeilen.«
Abermals nagten Zweifel an ihr. »Wer, Fiona? Wer wird nicht lange brauchen?«
»Die Männer, die Euch töten wollen.« Sie wandte sich von Isobel ab und mühte sich mit dem Seil ab, um es zur Tür zu bringen, durch die sie auf den Wehrgang gelangen konnten. »Helft mir, das Seil zu tragen.«
Wie zuvor blieb Isobel wie angewurzelt stehen. »Ich brauche Antworten, sonst gehe ich keinen Schritt weiter.«
»Die Tür wird sie nicht lange aufhalten, wenn ihnen erst einmal klarwird, dass Ihr verschwunden seid. Dann werden sie überall nach Euch suchen.«
»Ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen. Ihr auch?«
Fiona stieß ein gereiztes Knurren aus. »Das ist eine Bande von Söldnern, die wissen, wer Ihr in Wahrheit seid, und die dafür sorgen sollen, dass Ihr niemals die Gelegenheit bekommt, den Thron von Schottland für Euch zu beanspruchen. Sie wurden vom König hergeschickt, um einzugreifen, falls es Walter nicht gelingt, Euch zu töten.«
Ein eisiger Schauer lief Isobel über den Rücken. Fiona und noch andere kannten die Wahrheit über ihre Herkunft? Wie war das möglich?
»Der Wärter Eurer Mutter verriet Euer Geheimnis«, fuhr Fiona fort, als hätte sie ihre Gedanken erraten.
Plötzlich kam es ihr vor, als sei die Luft um sie herum erstarrt, gleichzeitig legte sich eine eisige Hand um ihre Brust und drückte zu, so dass sie nicht mehr atmen konnte. Schwärze begann ihr Gesichtsfeld einzuengen, und Angst ergriff von ihr Besitz. Es kostete sie unglaubliche Mühe, Herr über ihre Panik zu werden und tief durchzuatmen. Sie musste Ruhe bewahren, die Vernunft musste die Oberhand behalten.
Isobel umfasste ihr linkes Handgelenk und massierte das geschundene Fleisch, um sich vor Augen zu halten, dass sie nicht länger eine Gefangene war und das auch nicht wieder sein würde, solange sie ihre Kraft und ihren gesunden Menschenverstand hatte. »Ich … ich stelle für niemanden eine Bedrohung dar.«
Von Fiona kam als Reaktion ein bitteres Lachen. »Wie könnt Ihr so was nur sagen? Ihr seid eine Balliol, verheiratet mit einem Stewart.«
»Was habt Ihr da gesagt?«, fragte Isobel, die ihren Ohren nicht trauen wollte.
»Ihr habt einen Stewart geheiratet. Den unehelichen Sohn unseres derzeitigen Königs.«
Stille machte sich breit, als Isobel versuchte, Fionas Worten einen Sinn zu geben. Der Sohn des Königs … Plötzlich ergab alles einen Sinn. Wolfs seltsames Verhalten, als sie zu ihm sagte, dass es Geheimnisse zwischen ihnen gab. Sie meinte ihre eigenen Geheimnisse, doch er verstand das falsch und bezog ihre Worte auf
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