Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
hier«, forderte Wolf Isobel auf, nachdem sie zu ihm gekommen war. Dann kehrte er ins Baumhaus zurück und tauchte Augenblicke später mit dem toten Grange über der Schulter auf. Er brachte den Leichnam zu den feindlichen Soldaten und warf ihn ihnen vor die Füße. »Grange ist tot«, verkündete er und zog sein Schwert. Die Männer schauten fassungslos auf den Toten. »Granges Land sowie sein gesamtes Hab und Gut gehören nun mir, sowohl als Kriegsbeute als auch aufgrund der Tatsache, dass ich mit seiner einzigen Tochter verheiratet bin.«
Alle Blicke richteten sich auf Isobel. Bei ihrem Anblick verschlug es Wolf die Sprache. Obwohl sie blutverschmiert war und ihr das Kleid in Fetzen am Körper hing, sah sie wunderschön aus. Ein Feuer in ihren Augen ließ erkennen, dass sie sich niemals geschlagen geben würde. Sie war mit Haut und Haar ein Racheengel, der kein Unrecht zuließ. Wolf musste sich zwingen, sich von ihrem ehrfurchtgebietenden Anblick abzuwenden, um sich den Dingen zu widmen, die noch erledigt werden mussten.
»Ich biete euch drei Möglichkeiten an, was ihr aus eurem Leben machen könnt. Entweder löst ihr Granges Armee auf und zieht eures Weges, wobei ihr das Versprechen geben müsst, niemals wieder mich oder meine Leute anzugreifen. Oder ihr schwört dem König eure Treue und folgt mir zu meiner Burg. Oder aber ihr setzt euer feindseliges Treiben fort und werdet sterben.«
Die Soldaten begannen miteinander zu reden und bildeten kleinere Gruppen, wenig später traten zwei von ihnen vor. »Wir haben beschlossen, uns aufzulösen«, erklärte einer von ihnen.
»Dann geht und sichert mir zu, dass ihr diese Berge und Täler weit hinter euch lassen werdet.«
»Einverstanden«, sagten beide gleichzeitig, dann kehrten sie zu den anderen zurück, sechs Männer schlossen sich ihnen an, und gemeinsam gingen sie Richtung Wald.
Die anderen blieben als Gruppe zurück, drei von ihnen kamen zu ihm. »Wenn Ihr uns ein Quartier und etwas zu essen gebt, dann werden wir Euch dienen, Mylord«, ließ ihn der Älteste von ihnen wissen.
Wolf steckte sein Schwert weg und war erleichtert, dass an diesem Tag nicht noch mehr Blut vergossen werden sollte. »Dann schwört dem König Treue und helft mir, die Verletzten zu versorgen und die Toten zu beerdigen.«
Einer nach dem anderen traten die Männer vor, knieten sich hin und schworen Gehorsam. Danach machten sie sich ans Werk, während Wolf sich zu Isobel umdrehte. »Woher wusstest du, dass deine Männer kommen würden?«
Er griff in seinen Tartan und holte beide Hälften des Steins hervor, die er ihr hinhielt. »Außer dir und Brahan gibt es noch andere Menschen, die in die Zukunft sehen können.«
Isobel betrachtete forschend sein Gesicht. »Deine Haare …»Erschrocken hob sie die Hand und griff nach einer Strähne an seiner Schläfe. »Ein weißer Streifen in einer pechschwarzen See.«
»Ein Kriegsandenken, weiter nichts«, tat er ihre Beobachtung mit einem Schulterzucken ab.
Als sie ihm wieder in die Augen schaute, bemerkte er den schmerzhaften Ausdruck in ihrem Blick. »Es tut mir leid.«
»Was meinst du?«
»Dass ich dich und deine Leute in Gefahr gebracht habe, und das alles nur … seinetwegen.« Sie schluckte angestrengt.
Er musste sich zur Zurückhaltung zwingen, damit er nicht versuchte, mit einer Geste ihren Schmerz zu lindern oder sie mit einem Kuss zum Schweigen zu bringen. Sie brauchte diesen Moment, damit sie die Dinge aussprechen konnte, die sie so belasteten, weil sie sich sonst niemals von Granges Einfluss auf ihr Leben würde befreien können. Er verstand es, weil er das Gleiche bei seinem eigenen Vater durchgemacht hatte.
»Niemand kann den Tod und die Zerstörungen wiedergutmachen, die er angerichtet hat«, sagte sie schließlich.
Wolf legte ihr eine Hand an die Wange. »Dann tu du, was du dafür tun kannst, indem du bei mir bleibst, um für mich meine Ehefrau und für meine Leute die Herrin zu sein.«
Sie gab ihm einen Kuss auf die Handfläche. »Ich werde bleiben.«
Er hatte gerade von zwanzig Männern den Treueid zu hören bekommen, doch Isobels Worte bedeuteten ihm mehr als alles andere. In ihren Augen spiegelte sich dabei die Ernsthaftigkeit wider, die von Herzen kam. »Die anderen können das hier erledigen«, entschied er. »Bringen wir dich erst einmal nach Hause.« Er führte sie zu seinem Pferd, half ihr in den Sattel und saß hinter ihr auf. Dann legte er den Tartan so, dass auch ihre unbedeckten Beine gewärmt wurden.
Als
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