Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
Noch ein paar Schritte, dann war sie am Ziel.
Eines hatten alle Türme gemeinsam: Sie verfügten alle über Schießscharten oder über eine Tür, die hinaus auf einen Wehrgang führte, damit man sich auf die eine oder andere Weise gegen jeden zur Wehr setzen konnte, der einen Angriff wagte. Das wusste sie aus eigener Erfahrung. Ein Satz nach vorn, und schon hatte sie die Tür erreicht. Sie drückte die Klinke herunter und schob die Tür auf.
Luft. Sie brauchte Luft. Alle Gedanken kreisten nur darum. Belohnt wurde sie mit einem Hauch frischer Luft, der ihr entgegenkam und der sie weiter in den Raum laufen ließ.
Im Schein von drei in Wandhalterungen steckenden Kerzen sah sie vor sich in der grauen Wand zwei Schießscharten. Ihre Füße trugen sie wie aus eigenem Antrieb zu diesen Öffnungen, und nur wenige Augenblicke später konnte sie wieder tief durchatmen. Als ihre Panik abebbte, sank sie gegen die Wand und schloss die Augen. Sie atmete weiter die belebende kühle Luft ein, als sie auf einmal wieder die Erschöpfung überkam.
Zwei weitere Atemzüge, und das wilde pochende Herz wurde ruhiger, bis nur noch ein dumpfes Schlagen zu vernehmen war. Langsam öffnete sie die Augen und sah sich in dem Raum um, in den sie praktisch blindlings gestürmt war. Neben den Kerzen brannte ein Feuer in einer runden Lehmkonstruktion, die an einen Ofen erinnerte. Aber was hätte ein Ofen in einem Turmgemach zu suchen gehabt?
In der Nähe dieser Konstruktion standen drei Körbe, einer mit Holz, der nächste mit Sand und der letzte mit grauer Asche. Auf der anderen Seite des Raums befand sich ein schlichter Tisch, darauf lagen verschiedene Metallstangen und ein Messer, dazu eine ganze Reihe von merkwürdig geformten metallenen Gegenständen.
Plötzlich lief ihr ein eisiger Schauer über den Rücken. Waren das die Werkzeuge, mit denen ihr zukünftiger Ehemann Dämonen aus der Finsternis heraufbeschwor? Oder mit denen er seine Männer folterte?
Die Gegenstände wirkten allerdings mehr wie Werkzeuge, nicht aber wie Instrumente der schwarzen Künste. Neugierig berührte sie die Spitze einer der langen Stangen und stellte fest, dass daran ein feiner Staub haftete, der im Schein der flackernden Kerzen funkelte.
Sie stutzte, als sich ihr ein Schleier über die Augen legte und ihre Finger im goldgelben Licht der Kammer zu formlosen Farbklecksen zerliefen. Sie schüttelte den Kopf, um wieder klar sehen zu können, doch das machte alles nur noch schlimmer.
»Ich hatte Euch gesagt, Ihr sollt hier nicht herkommen.« Eine verschwommene Gestalt löste sich aus der Dunkelheit.
Izzy blinzelte angestrengt. Das Bild vor ihren Augen wurde so unscharf, dass sie gar nicht mehr erkennen konnte, wo die eine Kontur aufhörte und die nächste begann. An ihren Schläfen setzte ein gleichmäßiges, heftiges Pochen ein. »Ich benötigte frische Luft«, stieß sie hervor.
»Die könnt Ihr anderswo auch bekommen.«
Ihre Wangen begannen zu glühen, was das Pochen umso schlimmer werden ließ. Sie versuchte sich von der Wand abzustoßen, damit sie ihm zeigen konnte, dass sie vor ihm keine Angst hatte. Aber ihr Magen drehte sich um und sie knickte zusammen, da ein schmerzhafter Stich ihren Körper durchfuhr.
Sofort war er bei ihr. »Ist Euch nicht gut?«
Anstelle einer Antwort kam nur ein Stöhnen über ihre Lippen. Ehe sie es sich versah, hatte er sie bereits hochgehoben und drückte sie fest an sich, während er die Treppe nach unten lief. Izzy war ihm sehr dankbar, als er endlich aufhörte sich zu bewegen. Ihr Blick klebte förmlich an seinem Gesicht, und verzweifelt versuchte sie zu verhindern, dass das hoffnungslos verschwommene Bild in Schwärze versank. Doch die Dunkelheit rückte am Rand ihres Gesichtsfelds bereits vor. Hastig atmete sie ein und versuchte, diese Schwärze zurückzudrängen.
Dann war sie erneut in Bewegung, und nur einen Moment später wurde sie in eine wundervolle kühle Brise getaucht. Er hatte sie nach unten gebracht, auf den Burghof hinter dem Saal. Der Wind strich über Gesicht, Arme und Brust, jedoch hielt sich die Schwärze beharrlich am äußersten Rand ihres Blickfelds. Ihr Magen schmerzte, und sie wand sich in seinen Armen.
»Ihr seid in Sicherheit, kein Grund zur Panik«, versicherte ihr eine körperlose Stimme aus der Finsternis, von der sie von allen Seiten eingeschlossen wurde.
Izzy versuchte zu schlucken. »Awaah abbaha«, krächzte sie.
»Isobel?«, rief die Stimme aus tiefster Dunkelheit. »Isobel!«
Wieder
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